Die von den Problemen betroffenen Solarmodulhersteller schieben zumindest einen Teil der Verantwortung ab in Richtung Bundesregierung. „Wir wollen ein klares Statement setzen: Wir stehen zur Energiewende in Deutschland, wir glauben an die Zukunft mit solarer Energie und wir wollen weiter mit unserer ganzen Kraft daran mitarbeiten – wenn man uns lässt“, kommentiert Hans-Peter Karpenstein, CFO bei der Schott Solar AG, die politische Lage.
Das Senken der Einspeisevergütungen wäre demnach der Bösewicht, der die PV-Landschaft ausdünnt und die Energiewende gefährdet. Andere wiederum beklagen zwar nicht unbedingt die Kürzungen an sich, wohl aber die kurzfristigen Anpassungen – sie nähmen jegliche unternehmerische Planungssicherheit, die es in anderen Branchen ja auch gäbe.
Lars Kirchner, Geschäftsführer der Kirchner Solar Group, bezog im März 2012 als einer der Wenigen eindeutig Position: „Die PV-Branche war schon immer sich schnell verändernden regulatorischen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Diese tragen auch der gesamtgesellschaftlichen Erwartung an preisgünstige Solarlösungen und Solarstrom Rechnung. Die Kirchner Solar Group ist diesen Rahmenbedingungen immer mit Innovation und neuen Geschäftsideen begegnet. Aus diesem Grund sehen wir einer weiteren möglichen Kürzung der Solarstromförderung gelassen entgegen.“ Kirchner hatte schon seit längerer Zeit die Förderpolitik kritisiert.
Der schwarze Peter wird China zugeschoben
Kirchners Optimismus teilen nicht alle, beim Großteil der deutschen Solarbranche herrscht Katzenjammer: Neben der Bundesregierung haben insbesondere die deutschen Modulhersteller einen (Folge-)Schuldigen ausgemacht und schieben den Schwarzen Peter chinesischen Produzenten zu. Nicht wenige Stimmen rufen, dass in Asien immerhin unter Nichtbeachtung von Umweltauflagen mit Dumping-Löhnen – zumindest im Vergleich zu Europa – produziert wird. So können die Solarunternehmen aus Fernost eine Preisschlacht schlagen, die für Hersteller aus anderen Ländern nicht zu gewinnen ist.
Doch diese Argumentation greift zu kurz, wie eine beispielhafte Aussage des Modulproduzenten Talesun zeigt: „Die Lohnkosten sind für uns kein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Wir haben von Anfang an auf eine vollautomatische Produktion gesetzt, an der nur sehr wenige Menschen beteiligt sind. Darüber hinaus halten wir die jeweiligen Gesetze für Umwelt und Sicherheit ein, andernfalls dürften wir unsere Produkte nicht in die EU liefern“, erklärt Joachim Simonis, der als Geschäftsführer der Talesun GmbH die deutschen und europäischen Geschäfte des Unternehmens verantwortet. Diese Aussage bestätigen auch Experten hierzulande: Es seien vor allem die neuen, modernen und oftmals aus Deutschland stammenden Anlagen sowie die Mengen verantwortlich für die günstigen Modulpreise chinesischer Hersteller, sagte kürzlich Eicke Weber in der Zeit. Weber ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg und sitzt selbst im Aufsichtsrat von Q-Cells. Unumwunden attestiert er, dass auch dort, wie in der gesamten Branche, Fehler passiert sind. Allerdings gibt er zu bedenken, dass Geschwindigkeit und Ausmaß des Preisverfalls nicht so ohne weiteres vorherzusehen gewesen seien, schließlich gäbe es keine internationale Meldestelle.
Dennoch war von Anfang an klar und im EEG vorgesehen, dass die Vergütungen abgesenkt werden. Daher scheint es auch fraglich, wie die nun gescheiterten Photovoltaikunternehmen dauerhaft hätten überleben können, selbst wenn nur die ab ovo vorgesehen Kürzungen gegriffen hätten. Die außerplanmäßigen Kürzungen liegen ja gerade an den frühen Erfolgen der heimischen Solarunternehmen. Kam bei den heimischen Herstellern die unternehmerische Weitsicht zu kurz? Stimmen, wie das im April von der Financial Times Deutschland ausgegrabenen Statement eines hiesigen Herstellers, „man habe gegenüber China einen technologischen Vorsprung von mindestens fünf, eher zehn Jahren“, klingen weniger anachronistisch als arrogant und lassen zumindest Rückschlüsse in diese Richtung zu.
Uneinigkeit bei künftiger Attraktivität des Solarstandortes Deutschland
Die Frage ist, wie es nun weiter geht mit dem Sonnenstandort Deutschland. Eher zurückhaltend blickt der alternative Energiedienstleister Green City Energy auf die Lage am deutschen Photovoltaikmarkt. Dabei haben die Münchner die Zeichen der Zeit früh erkannt und verbreiten bereits seit mehreren Jahren ihr Kerngeschäft. „Spätestens seit der Wahl der schwarz-gelben Koalition in Berlin war abzusehen, dass es verstärkt Lobby-getriebene Versuche geben wird, die Erfolgsgeschichte der Photovoltaik in Deutschland zu beenden“, erklärt Vorstand Jens Mühlhaus. Nun legt Green City Energy neben seinem vorerst letzten, aber dafür bislang größten deutschen Solarfonds erstmals einen Bürgerbeteiligungsfonds auf, der in französische Kleinwasserkraftwerke investiert. Anleger können so eine jährliche Durchschnittsausschüttung von 8,35 Prozent erzielen und einen Teil zur europäischen Energiewende beitragen. Auch das Thema Windkraft wird beim Unternehmen künftig groß geschrieben. Ganz verabschieden will man sich vom Thema Solar aber nicht. Wie viele deutsche Projektierer zieht es auch Green City Energy neben Frankreich auf attraktive europäische Märkte – Italien ist im Gespräch, aber auch Kroatien und Serbien.
Die Diversifizierung des Portfolios ist jedoch nicht für alle Unternehmen ein gangbarer Weg. Dass Photovoltaik in Deutschland weiterhin funktionieren kann, zeigt etwa Abele Solartechnik: Gemeinsam mit Talesun gab das Unternehmen im Mai 2012 bekannt, dass es einen Rahmenvertrag über die Lieferung von zwei Megawatt abgeschlossen habe. „Wir sind nach wie vor von der Rentabilität der Photovoltaik in Deutschland überzeugt und setzen uns mit jedem Solarkraftwerk weiter für die Energiewende ein“, bekräftigte Geschäftsführer Kurt Abele bei Abschluss des Geschäfts. Momentan verzeichnet Abele insbesondere eine erhöhte Nachfrage bei Besitzern von Einfamilienhäusern. Die gute Auftragslage stimmt den Solarunternehmer positiv. Auch die Einstellung qualifizierter Fachkräfte ist fest vorgesehen.
Renditen sichern
In dieses Horn stößt auch eine Studie von EuPD Research. Sie besagt, dass selbst die klassische EEG-Vergütung weiterhin attraktiv bleibe. Die Untersuchung hat das Kölner Emissionshaus Wattner erstellen lassen. Renditen von sieben Prozent werden kolportiert, die sich bei Nutzung von Direktvermarktungsmöglichkeiten sogar verdoppeln lassen sollen. Einen wertvollen Beitrag zur Sicherung der Erträge können auch Monitoring-Systeme leisten. Denn viele Anlageneigentümer überwachen ihre Sonnenkraftwerke nicht, wodurch Energieausbeute und Renditen unnötig sinken.
Die smartblue AG aus München etwa hat eine intelligente Überwachungslösung für Solaranlagen entwickelt; sie meldet nicht nur Ertragsausfälle vollautomatisch, sondern kann anhand besonderer Charakteristika sogar die Fehlerursache und die betroffenen Module bestimmen. Eine zugehörige Hardware optimiert zudem die Anlagen, indem sie die Strings dynamisch verschaltet und so die Auswirkungen des Kirchhoffschen Gesetzes umgeht. Systeme wie diese seien bitter nötig, sagt Vorstand Dr. Philipp Geiger. Das Unternehmen hat die frei zugänglichen Daten von mehreren hunderttausend Anlagen aller Größenordnungen analysiert. Das Ergebnis ist ernüchternd: Etwa jede achte Anlage läuft unter ihren Möglichkeiten.
Typische Marktentwicklung vom Hype zur Reife
Solcher Innovationen zum Trotz: Für die deutschen PV-Hersteller wird die Marktsituation schwierig bleiben. Nischenanbieter, innovative Produkte und Solarteure werden sich leichter behaupten können. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Branchen eine Boom- und anschließend eine Konsolidierungsphase erleben – mit all ihren Folgen für die Betroffenen. Doch die Branche gibt sich kämpferisch: „Was wir brauchen ist Planbarkeit, deswegen muss die Politik schnellstmöglich eine verlässliche Entscheidung fällen, wie sie auch in anderen Branchen üblich ist. Nur so kann der Markt entsprechende Lösungen finden und eine neue Dynamik gewinnen“, fordert Joachim Simonis. Das Ziel der Energiewende gibt auch Jens Mühlhaus nicht verloren: „Wir werden sehen, dass der Photovoltaikmarkt sich in den kommenden Jahren auch in Deutschland wieder erholen wird. Einstweilen wird die Bedeutung von privaten Dachanlagen über die Eigennutzung zunehmen und private Haushalte bei den Energiekosten entlasten. Die Energiewende ist zumindest auf Deutschlands Dächern nicht umkehrbar – selbst bei einem Stopp der Förderung bei 52.000 Megawatt. Die Gestehungskosten werden dann so weit gesunken sein, dass Anlagen auch so lohnend laufen. Wichtig ist, dass Bevölkerung und Politik nicht auf die Lobbyarbeit etwa im Bereich Netzausbau hereinfallen. Unsere Energiewende muss und wird dezentral sein.“
Stephan Wild und Stefan Karl
Wunderbar! Klasse Artikel