Nie zuvor verbuchte die Rote Liste mehr gefährdete Arten: Mit über 23.000 Tier- und Pflanzenarten gelten zum Jahreswechsel 2015/16 etwa ein Drittel aller bekannten Arten unserer Erde als bedroht. Der WWF führt in seiner Jahresbilanz auf, für welche Tierarten es 2015 besonders schlechte Entwicklungen gab und bei welchen Arten positive Trends zu erkennen sind.
Verlierer 2015
Elefanten, Nashörner, Geier, Flughunde und Riesenfrösche hatten im vergangenen Jahr besonders zu kämpfen. Wilderei, der Verlust ihres Lebensraums sowie die Umweltverschmutzung machten ihnen zu schaffen. „Tiere und Pflanzen, sogar ganze Ökosysteme verschwinden, dabei ist jede Art einmalig und ein Wert an sich“, warnt Eberhard Brandes, Vorstand WWF Deutschland. „Schuld für den massiven Verlust biologischer Vielfalt weltweit sind Wilderei, Raubbau, die Übernutzung natürlicher Ressourcen und der Klimawandel. Die Menschheit verursacht so nicht nur das größte Artensterben seit Ende der Dinosaurier, sondern verspielt zugleich auf Kosten nachfolgender Generationen leichtfertig ihre Lebensgrundlage.“
Nashörner und Elefanten: Die dramatische Kriese durch Wilderei geht weiter. Bis November 2015 wurden allein in Südafrika rund 1000 Nashörner gewildert und in ganz Afrika schätzungsweise zehntausende Elefanten abgeschlachtet. Ein kleiner Hoffnungsstreifen am Horizont: Die UN hat im letzten Jahr eine Resolution gegen illegalen Wildtierhandel verabschiedet – dieser richtungsweisenden Entscheidung müssen nun Taten folgen.
Afrikanische Geier: Die Zahl der afrikanischen Geier ist in den vergangenen drei Jahrzehnten um rund 50 Prozent zurückgegangen. Wilderer vergiften die Elefantenkadaver, um sich der Aasfresser zu entledigen, denn kreisende Geier sind für Ranger wichtige Hinweisgeber. Die Vögel brauchen 30 Minuten um frisch getöteten Tiere zu finden, Wilderer aber doppelt so lange, um Stoßzähne zu entfernen.
Titicaca-Riesenfrosch: Wegen der ungefilterten Einleitung von Abwässern kam es im südamerikanischen Titicacasee 2015 zu einem Massensterben. Besonders betroffen ist der seltene Titicaca-Riesenfrosch, der nur hier vorkommt und mit bis zu einem Kilo zu den größten Froscharten der Welt zählt. Der Art droht im schlimmsten Fall das Aussterben.
Saiga-Antilope: Ein Massensterben, vermutlich durch einen Krankheitserreger und Umweltfaktoren ausgelöst, brachte 2015 in Kasachstan innerhalb weniger Tage bis zu 85.000 Saiga-Antilopen den Tod. Das entspricht einem Drittel des durch Wilderei ohnehin stark dezimierten Bestandes und stellt einen dramatischen Rückschlag für die internationalen Schutzbemühungen der Antilopen dar.
Maskaren-Flughunde: Auf Mauritius haben die Behörden im November mit der Tötung von rund 18.000 seltenen Maskaren-Flughunden begonnen. Die Regierung begründet das Vorgehen mit Schäden im Obstanbau. Der WWF kritisiert die Maßnahme als irrational, da die Verluste nur zu geringem Teil auf Flughunde zurückzuführen seien.
Gewinner 2015
Laut WWF gibt es jedoch auch einige positive Entwicklungen. Dank neuer Schutzgebiete und konstanter Naturschutzmaßnahmen zählen zwei der seltensten Säugetierarten zu den Gewinnern 2015: der Amur-Leopard und der Iberische Luchs und auch bei den Pandabären gibt es einen positiven Trend. In Deutschland ist die Rückkehr der einst ausgerotteten Wölfe Erfolg und zugleich Herausforderung. „Deutschland muss beim Artenschutz mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass der Mensch nicht nur das Problem verursacht, sondern auch die Lösung in den Händen hält“, so Brandes. Es gelte daher die Land- und Forstwirtschaft nachhaltiger auszurichten. Schutzgebiete müssten besser geschützt und vernetzt werden.
Iberischer Luchs: Laut Roter Liste steht der Iberische Luchs nicht mehr unmittelbar vor dem Aussterben und ist „nur noch“ stark bedroht. Die Population hat sich seit 2002 auf über 300 Tiere vervielfacht. Dies war laut WWF durch eine Verzahnung von Lebensraumschutz, Aufklärungsarbeit, Bekämpfung der Wilderei sowie Nachzucht und Auswilderung, möglich.
Amur-Leopard: Amur-Leoparden zählen weiter zu den seltensten Säugetieren weltweit. Ihr Bestand ist allerdings laut einer Zählung mit WWF-Beteiligung auf etwa 70 Exemplare angestiegen. Der Großteil der Population findet sich nahe der russischen Stadt Wladiwostok. Vor der Ausweisung des Schutzgebietes „Leopardovy“ wurden 2007 nur 35 Tiere gefunden.
Großer Panda: Die Population der Großen Pandabären hat sich seit der Zählung 2004 um rund 17 Prozent auf aktuell über 1860 Tiere erhöht.
Wolf: Der Wolf setzt seine Rückkehr nach Deutschland unbeirrt fort: 32 Rudel wurden Mitte 2015 gezählt, fünf mehr als 2014. Weiter verbessert werden muss, laut WWF, allerdings in einigen Regionen das Management der Bundesländer, damit Konflikte – etwa mit Tierhaltern– vermieden werden.
Faktor Klimawandel
Von enormer Bedeutung ist ,dem WWF zufolge, zudem der Kampf gegen den Klimawandel, der das Potential habe zu einem „globalen Arten-Killer“ zu werden. Vor allem hoch spezialisierte Arten wie der Schneeleopard oder auch der Eisbär leiden unter den Veränderungen ihrer Ökosysteme. Andere Arten hingegen profitieren: Orcas dringen wegen des ausbleibenden Meereises immer weiter in arktische Gewässer vor und verändern das dortige empfindliche Jäger-Beute-Gefüge. Der Klimawandel ist unter anderem auch ein Faktor für die zunehmende Quallen-Plage in der Ostsee.
Auch der warme Winter sorgt in Deutschland für Probleme und ein Ungleichgewicht bei den heimischen Tierarten. Für vielen Wildtiere ist ein warmer Winter zwar besser als ein kalter: „Bleiben Schnee und Frost aus, ist die Nahrungssuche für Wildschweine, Reh- und Rotwild sowie Sing- und Greifvögel einfach: Der Boden ist weich, die Insekten sind aktiver und manche Pflanzen beginnen bereits frisch auszutreiben“, erklärt Dr. Andreas Kinser, Forstexperte der Deutschen Wildtier Stiftung. „Doch es gibt nicht nur Vorteile. Ein später Wintereinbruch bringt Wildtiere, die jetzt schon wieder in den Frühlingsmodus wechseln, leicht aus dem Rhythmus.“
Zu den „Rhythmusstörungen“ gehört auch, dass es ein Ungleichgewicht zwischen den Tierarten gibt – beispielsweise sind nach einem ungewöhnlich warmen Winter mehr Mäuse zu erwarten.
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„Zu den Verlierern gehören viele Insekten“, erklärt Andreas Kinser. Für Hummeln und andere Wildbienen ist ein später Wintereinbruch lebensgefährlich. Bleiben die Temperaturen zunächst ungewöhnlich warm, krabbeln Wildbienen zu früh aus ihren Überwinterungsquartieren obwohl nicht ausreichend Blüten und Nektar zur Verfügung stehen. Setzt der Winter dann verspätet ein, wird es für die Bienen bedrohlich: Sie finden nichts zu fressen, um neue Kraft zu tanken und sterben.
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