Das Fahrrad als alltägliches Verkehrsmittel gewinnt in Deutschland zunehmend an Bedeutung, innerstädtische Radwegenetze wurden in den letzten Jahren stetig ausgebaut. Doch bisher gibt es hier zu Lande weder ein Konzept noch ein in der Praxis umgesetztes fahrradfreundliches Gewerbegebiet. Und das obwohl hier ein großes Potential schlummert: Zahlreiche individuelle und öffentliche Verkehre treffen in großen Gewerbe- und Industriestandorten aufeinander.
Die Erschließung großer Industrie- und Gewerbegebiete ist allerdings hauptsächlich auf den motorisierten Individualverkehr ausgelegt, die Erreichbarkeit mit Öffentlichen Verkehrsmitteln gestaltet sich aufgrund zu weniger oder zu weit entfernter Haltepunkte vom eigentlichen Arbeitsplatz mit Wartezeiten und zusätzlichen langen Fußwegen umständlich. Hinzu kommt die Überlastung der vorhandenen Wege und Systeme zu Stoßzeiten des Berufsverkehrs am Morgen und Abend. Das Fahrrad könnte hier Abhilfe schaffen, ist allerdings als alltägliches Verkehrsmittel sowohl in der Planung und Konzeption solcher Standorte, als auch in den Bereichen Ausstattung, Service und Kommunikation bisher selten in Betracht gezogen worden.
Mit dem Pilotprojekt am Modellort Flughafen RheinMain soll das Fahrrad nun als wichtiges Verkehrsmittel im bereits vorhandenen multi- und intermodalen System etabliert werden. Denn insbesondere in ihrer Funktion als Arbeitsstätte für zehntausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bergen Flughäfen ein enormes Potenzial, den erzeugten Alltagsverkehr durch die Förderung der Fahrradmobilität stadt- und umweltverträglicher zu gestalten und CO2-Emissionen einzusparen. Dabei ist der Flughafen RheinMain mit seinen über 500 verschiedenen Unternehmen direkt auf dem Flughafengelände oder auf einem der drei angrenzenden Areale, mit hunderten flughafenaffinen Unternehmen in den Gewerbegebieten angrenzender Städte und Gemeinden und einer sehr guten verkehrlichen Anbindung rund um den Flughafen wie geschaffen für das Projekt des Regionalverbands Frankfurt RheinMain.
Zielgruppen des teils durch Bundesmittel geförderten Projektes sind in erster Linie Alltagsradelnde und Pendler, die in radfreundlichen Distanzen zum Flughafen wohnen. Ein Blick auf die Beschäftigtenzahlen allein der Fraport AG zeigt: von 20.000 Beschäftigten könnten 2.000-2.500 Personen das Rad für ihren Weg zur Arbeit täglich nutzen. Dies entspräche einem Anteil von 10-12 Prozent der Angestellten und hätte damit das Potenzial, den bundesdeutschen Modal Split des Fahrrads zu erreichen. Übertragen auf die prognostizierten 90.000 Beschäftigten im Jahr 2020, wären dies 9.000 und mehr Radfahrende, die regelmäßig das Verkehrsmittel Fahrrad nutzen könnten. Darüber hinaus ergeben sich für Planer, Betreiber, ansässige oder anzusiedelnde Unternehmen, aber auch für die Zweiradindustrie selbst hieraus breite Einsatzmöglichkeiten und ein hohes Innovationspotenzial.
Doch derzeit radeln nur 1-2 Prozent der Mitarbeiter aller Unternehmen für ihren Arbeitsweg zum Flughafen. Mit dem Pilotprojekt sollen hierfür Lösungsansätze gefunden werden finden, um die Zahl der Fahrradpendler gemäß der Potenzialabschätzung zu erhöhen. Durch ein begleitendes Kommunikationskonzept, durch die Nutzung von Social Media Kanälen, die Entwicklung einer App für Rad fahrende Mitarbeitende am Standort und eines Imagefilms sowie ein interaktives, partizipatorisches Kartographie-Online-Tool sollen weitere Anreize zum Radfahren geschafften werden. Entwickelt werden soll darüber hinaus ein Konzept für eine Radfahrbrücke, welches das geplante Radwegekonzept ergänzen soll.
Das Projekt fördert schließlich den Radverkehr als System an großen Gewerbe- und Industriestandorten, und soll aufzeigen, wie das Verkehrsmittel auf dem täglichen Weg zur Arbeit in Gewerbegebiete Normalität werden kann. Hierfür muss das Rad als gleichberechtigtes, alltägliches Verkehrsmittel in die strategische Planungen von großen Gewerbe- und Industriestandorten integriert werden.
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