Der Hambacher Forst soll abgeholzt werden. Zumindest wenn es nach dem Energiekonzern RWE geht. Der beitreibt im anliegenden Braunkohletagebau Hambach einen der größten Tagebaue Europas. Umweltaktivisten versuchen durch die Besetzung des Waldes in selbstgebauten Baumhäusern verzweifelt die Abholzung zu verhindern. Ein Großaufgebot der Polizei versucht sie gewaltsam aus dem Wald zu entfernen. RWE ist im Recht, doch ist der Rechtsstaat hier eine fadenscheinige Legitimierung kommerzieller Interessen?
Der Hambacher Forst ist einer der ältesten Wälder Deutschlands. Mit mehr als 4000 Hektar war er einst der größte Wald im gesamten Rheinland. Erstmals urkundlich erwähnt wird der Forst im Jahr 973. Der Widerstand gegen die Rodung des Waldes aus kommerziellen Zwecken geht mit der Gründung der Hambacher Gruppe zurück bis ins Jahr 1977. Greenpeace protestierte erstmals 2004.
Aufgrund der Rodung des Waldes durch den nahegelegenen Braunkohleabbau sind von den ursprünglichen 4000 Hektar Wald heute nur noch 200 übrig. RWE, Eigentümer und Tagebaubetreiber im Gebiet, plant 100 weitere Hektar zu roden. Die Braunkohleförderung soll weiter ausgebaut werden. Aus diesem Grund versuchen mittlerweile rund 4000 Polizisten die in Baumhäusern ausharrenden Umweltaktivisten zu räumen, die sich für den Wald den Kettensägen entgegen stellen.
Politische Bedeutung für den Hambacher Forst
Tatsächlich geht es hier nicht „nur“ um 100 Hektar Wald. Es ist ein Ringen um die politische Symbolik in Bezug auf den Kohleausstieg. Der Ausgang des Kampfes um den „Hambi“, wie Umweltaktivisten den Wald nennen, besitzt starke Symbolkraft für das politische Momentum der deutschen Energiewende und bezüglich der Verpflichtungen, die Deutschland u.a. in Paris gemacht hat.
Die Abholzung (bzw. der Widertand dagegen) besitzt deshalb bundespolitische Bedeutung. Vor allem deshalb, weil parallel bereits die Kohlekommission tagt und über den geplanten Ausstieg aus der Kohle verhandelt. Grünen-Chef Anton Hofreiter sagt deshalb, die Räumung des Waldes sei „eine Provokation für die Arbeit der Kohlekommission“. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hingegen sieht zwischen Kohlekommission und der Zwangsräumung des Forsts keinerlei Verbindung.
Starke Symbolik aus Baumhäusern
Die Besetzung des Waldes hat eine starke solidarische Wirkung für alle jene, die sich im Kampf gegen den Klimawandel bereits auf der Verliererseite sehen – Dank politischer Ignoranz und kommerziellem Egoismus. RWE, das NRW-Innenministerium, der Polizeieinsatz, das sind da die Gegner, die Bösen, gegen die die Aktivsten mit ihrem Einsatz zu Widerstand aufrufen. Der Kampf des kleinen Mannes gegen die mächtige Maschinerie des Staatsapparats, der letzten Endes nur im Dienste der Macht und Gier kommerzielle Interessen handelt und keine Rücksicht auf Gemeinwohl und Umwelt nimmt.
Es ist ein starkes Bild, das zu Solidarität anregen soll. Nicht jeden überzeugt das. Man kann die Methodik durchaus kritisieren. Tut man das, sollte man dennoch nicht vergessen, dass unsere Regierung sich einer langfristigen politischen Wende verpflichtet hat und sich einst als Vorreiter ihrer ambitionierten Klimaziele feiern ließ. Damals ließen sich damit noch Wahlen gewinnen. Von den Ziele, die sich Deutschland also in Sachen Klima gesteckt hat, sind wir mittlerweile weit entfernt. Es sind die Ziele für die auch die Baumhausaktivisten im Hambacher Forst stehen. RWE verkörpert so ziemlich das Gegenteil.
Rechtsstaat – Hohes Gut oder Mittel zum Zweck?
Die Rechtslage ist währenddessen eindeutig. Alle involvierten Gerichte schlossen sich bisher der Meinung an, die Begründung für den Räumungseinsatz sei rechtens und lehnten entsprechende Eilanträge zum Räumungsstopp ab.
Was NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dazu zu sagen hat, ist grenzt jedoch an Heuchelei. Es ginge ihm im Zusammenhang mit der Räumung schließlich gar nicht um die Aktivisten im Wald, sondern um „Kriminelle“ und „Gewalttäter“, die sich im Hambacher Forst herumtreiben – „Jetzt sind da Menschen, die haben auf fremdem Gelände schwarz gebaut. Die beachten keine Bauvorschrift, keine Brandvorschrift“. Die juristische Begründung Reuls: fehlender Brandschutz.
Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat. Das darf man nicht vergessen. Der Rechtsstaat bewahrt uns in so vielen Szenarien vor der Willkür „der Lauten“. Wir sollten jedoch auch nicht davor zurückschrecken, Situationen aus ihrem unmittelbaren Kontext herauszuheben und zu hinterfragen, ob, wie hier, im Sinne des Rechtsstaates gehandelt wird, oder ob der Rechtsstaat argumentativ ausgehöhlt und zum bequemen Hilfsmittel degradiert wird, kommerzielle Interessen durchzusetzen.
Quelle: Tagesschau.de