Globales Massensterben: Sterben die Tiere wegen uns?

Wir befinden uns im Zeitalter eines großen Massensterbens, behaupten Forscher. Schuld daran sollen wir Menschen sein.
Wir befinden uns im Zeitalter eines großen Massensterbens, behaupten Forscher. Schuld daran sollen wir Menschen sein.

Laut einer neu veröffentlichten Studie befinden wir uns mitten in einem großen Massensterben. Doch anders als das letzte Mal, bei dem vor rund 65 Millionen Jahren die Dinosaurier durch einen Asteroideneinschlag vernichtet wurden, kommt diesmal die Bedrohung nicht aus dem Weltall. Der Studie zufolge sterben die Lebewesen wegen uns Menschen.

Wir haben die Natur derart verändert und zerstört, dass die Artenvielfalt rapide abnimmt. Im vergangenen Jahrhundert seien einige Spezies hundertmal schneller ausgestorben, als es sich auf natürliche Weise – ohne den Faktor Mensch – ereignet hätte, so das Ergebnis der Studie. Auch für uns Menschen wird diese Entwicklung schwerwiegende Folgen haben.

Bis zum heutigen Tag fanden in der Geschichte unserer Erde insgesamt fünf große Massensterben statt, bei denen zum Teil bis zu 70 Prozent aller Lebewesen von unserem Planeten verschwanden. Alle diese großen Massensterben traten bislang in Folge von schweren Naturkatastrophen auf, wie beispielsweise gewaltige Vulkanausbrüche oder, wie zuletzt vor rund 65 Millionen Jahren, durch einen riesigen Asteroiden.

Laut Untersuchungen amerikanischer Wissenschaftler soll das sechste große Massensterben in der Erdgeschichte bereits begonnen haben.

Doch dieses Massensterben ist anders. Erstmals seit sich auf dem Planeten Leben entwickelt hat, sind seine Bewohner selbst die Ursache für das Aussterben so vieler Spezies. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam um Dr. Gerardo Ceballos von der Universidad Nacional Autónoma de Mexico, das sie mit ihrer Studie nachgewiesen haben.

Fakt ist, dass viele Tiere und Pflanzen aufgrund von Umweltzerstörung leiden oder gar aussterben. Nicht nur, dass der Mensch viele Tierarten schlecht behandelt, zum Beispiel in der Massentierhaltung, wir vernichten auch ihre Lebensräume indem wir Wälder roden, die Luft verpesten, die Meere verseuchen, fruchtbares Ackerland mit Chemikalien vergiften und sogar das globale Klima mit Treibhausgasen und unserem Hunger nach Energie und Wohlstand aus dem Gleichgewicht bringen, 

„Wir wissen, dass wir dabei sind, die Lebensräume der Tiere zu zerstören“, sagte Studien-Hauptautor Ceballos dem Onlinemagazin ThinkProgress. „Tiere werden massenweise getötet, um sie zu verkaufen oder fallen der Umweltverschmutzung zum Opfer. Und jetzt haben wir obendrein noch den Klimawandel“. Laut Ceballos bedroht der Klimawandel das Leben vieler Tierarten durch immer extremere Wetterbedingungen, wie zum Beispiel Hurrikans und steigende Temperaturen. Diese Gründe führen zu einem zunehmenden Verlust der biologischen Artenvielfalt, erklärt er.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die natürliche Sterberate der Arten (ohne den Faktor Mensch) bei 0,1 bis 1 Spezies pro 10.000 Arten über einen Zeitraum von 100 Jahren liegt. Schon in den vergangenen Jahren teilten Forscher mit, dass ein großes Massensterben stattfinde, das weit über dieser Quote liegt. Doch viele der Studien wurden als Panikmache abgetan, da die Autoren – so zumindest die Kritik – zu drastische Werte für die Berechnungen der Sterberaten verwendet hätten. Das wollte das Forscherteam um Ceballos bei ihrer neuen Studie vermeiden.

Deshalb legten die Wissenschaftler diesmal eine doppelt so hohe Hintergrundsterberate (2 Spezies pro 10.000 Arten über 100 Jahre) für ihre Berechnungen fest. „Da wir mit dieser vorsichtigen Schätzung kalkulierten, dachte ich ehrlich gesagt nicht, dass wir damit wirklich belegen würden, uns in einer Zeit des Massensterbens zu befinden“, erzählt Ceballos. Diese Hintergrundsterberate verglichen die Forscher mit den tatsächlichen, dokumentierten Sterberaten von Wirbeltieren (Säugetiere, Reptilien, Vögel, Amphibien und Fische) seit dem Jahr 1500. So haben die Forscher ermittelt, wie groß der Faktor Mensch wirklich ist und ob wir uns derzeit wirklich in einer Periode eines großen Massensterbens befinden.

„Die Ergebnisse waren sehr sehr schockierend,“ sagt Ceballos. Trotz konservativer Berechnungen konnte eindeutig belegt werden, dass wir uns derzeit im sechsten großen Massensterben der Erdgeschichte befinden und das der Mensch die Ursache für den zunehmenden Verlust der biologischen Vielfalt ist. Laut der roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN), in der alle bedrohten oder bereits ausgestorbenen Arten aufgeführt sind, verschwanden die meisten Spezies während der letzten 114 Jahre – seit Beginn der Industrialisierung. Insgesamt gelten seit dem Jahr 1500 617 Arten als entweder nachgewiesen oder wahrscheinlich ausgestorben. Laut der Berechnungen der Forscher ist das eine acht bis 100-mal höhere Sterberate, als sich nur durch die Hintergrundsterberate erklären lässt. Einige der Spezies, die in den letzten 100 Jahren verschwanden, wären auf natürliche Weise erst über einen Zeitraum von bis zu 10.000 Jahren ausgestorben, sagen die Forscher. Mit anderen Worten: Was sich in der Natur über viele Jahrtausende ereignen würde, hat die Menschheit in nur 100 Jahren bewirkt. 

Das ist sehr bedenklich, sagen auch die Studienautoren, und warnen davor, dass auch Menschen darunter leiden werden, wenn immer mehr Tiere vom Angesicht der Erde verschwinden: „Das kann leicht auch für die Menschheit zum Problem werden“, so Studien-Co-Autor Paul Ehrlich von der Stanford University. „Wir sind völlig abhängig von anderen Lebewesen, beispielsweise als Nahrungsquelle.“ Außerdem brauchen wir Tiere und Pflanzen, um beispielsweise Medizin herzustellen. So sind 75 Prozent der Medikamente, die wir momentan benutzen, tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, sagt Ceballos. „ Bei jeder Spezies, die wir verlieren, verlieren auch wir Menschen.“

Auch ein berühmter Spruch von Albert Einstein erinnert daran, wie wichtig es ist, die auf der Erde lebenden Tierarten zu bewahren. Er sagte einst: „Wenn die Bienen einmal verschwinden, hat der Mensch noch vier Jahre zu leben“. Bienen sind als Bestäuber für unsere Nutzpflanzen von essentieller Bedeutung. Ohne sie würde es nicht nur keinen Honig mehr geben, sondern ganze Ernten würden ausfallen. 

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Es ist noch nicht zu spät das sechste große Massensterben aufzuhalten, glauben die Forscher. Es müsste allerdings schnell und entschlossen gehandelt werden – und zwar überall auf der Welt. Die bereits bedrohten Tierarten müssten besser geschützt, ihre Lebensräume bewahrt und der Klimawandel sowie der Raubbau an der Natur eingedämmt werden. Doch das Zeitfenster schließt sich schnell, warnen sie. Es gebe viele Gründe, warum wir gegen das Artensterben vorgehen sollten, sagt Ceballos. Der für die Spezies Mensch wahrscheinlich wichtigste: „Wenn wir die Tiere retten, retten wir damit auch uns“,  sagt er. 

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