Der Verpackungswahnsinn in unserem Alltag gerät immer stärker in die Kritik: vom vieldiskutierten Einweg-Kaffeebecher, über die Plastikfolien, die selbst unsere Bio-Gurken umhüllen, bis zu Industrieverpackungen für Nahrungsmittel, Kosmetik und Co. Leider ist nicht jede Umstellung so einfach umzusetzen, wie die Alternativen zur Einweg-Plastiktüte. Selbst die konnte letztlich nur über Gesetzesvorgaben vorangetrieben werden. Ansätze für umweltfreundlichere Verpackungsoptionen gibt es reichlich – was fehlt, sind laut Marktbeobachtern Industriestandards sowie Anreize, die die Produktion von biobasierten Materialien in ausreichend großen Mengen fördern, um sie wettbewerbsfähiger zu machen.
Immerhin kurbeln sowohl neue Vorgaben als auch das Interesse der Verbraucher die Entwicklung von alternativen Verpackungen an. Laut einer Studie des Nova-Instituts erreichte beispielsweise die Gesamtproduktionsmenge biobasierter Polymere 2018 bereits 7,5 Millionen Tonnen. Das sind zwar erst zwei Prozent der Produktionsmenge petrochemischer Polymere, aber auch die sind eine erhebliche Steigerung. Das vorhandene Potenzial für Bio-Polymere wird deutlich höher eingeschätzt. Solange jedoch die Kosten der entscheidende Faktor für die Materialproduktion sind, wird der Fortschritt durch niedrigen Ölpreise und bestehende Produktionsmethoden gebremst.
Die Produktion von biobasierten Polymeren hat sich in den letzten Jahren jedoch deutlich professionalisiert und differenziert. Demnach gibt es mittlerweile für praktisch jede Materialanwendung eine biobasierte Alternative. Erwartet wird laut der erwähnten Studie eine kumulierte jährliche Wachstumsrate von etwa vier Prozent bis 2023.
Auch die von der EU vorgegebenen Recyclingziele für Verpackungen erfordern neue Ansätze von Herstellern und der Recyclingbranche. Bis 2025 müssen demnach 55 Prozent aller Siedlungsabfälle wiederverwertet werden. Zahlreiche Forschungsprojekte arbeiten deshalb insbesondere daran, Kunststoffabfälle einer neuen Verwendung zuzuführen oder sie erneut als Verpackungen zu nutzen. Abgesehen von geringerem Abfallaufkommen leistet auch Materialeinsparung einen bedeutenden Beitrag zur Ressourceneffizienz. Durch geringeres Gewicht von optimierten Verpackungen lassen sich bei Lagerung und Transport Einsparungen erzielen.
Rohstoffalternativen – Holz, Gras oder Chicorée
Die Relevanz und das Marktinteresse am Thema zeigte sich auch auf der Fachpack 2019, die unter dem Leitthema „Umweltgerechtes Verpacken“ stand.
Der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen ist ein besonders heiß diskutiertes Thema. Mit Funktionsschichten versehen sind Verpackungen auf Papierbasis auch für Lebensmittel optimal geeignet. Nach dem Gebrauch kann der Papierverbund problemlos in den Recyclingprozess gegeben werden.
Ein weiterer nachwachsender Rohstoff wächst quasi vor der Tür: Gras. Verpackungen, die zu 100 Prozent oder zu einem bestimmten Anteil aus diesem Rohstoff gefertigt werden, punkten nicht nur damit, dass das Gras schnell nachwächst, sondern auch mit geringen Emissionen durch eine lokale Erzeugung. Graspapier kommt unter anderem bereits bei Versandverpackungen sowie als Schalen für Obst oder Gemüse, als Eierkartons oder Müslipackungen, als Coffee-to-Go-Becher und sogar bei der Verpackung für einen Lippenpflegestift zum Einsatz.
Biobasiertes PET ist ein weiterer Hoffnungsträger. Bereits beim FNR Wissensforum auf der Fachpack 2018 nannte Dr. Harald Käb vom Beratungsunternehmen Narocon die Lebensmittelhersteller Pepsi, Danone und Nestlé als Beispiele aus der Praxis, die gemeinsam Flaschen aus 100 Prozent Bio-PET entwickeln wollten. Leider wurde noch keine gelungene Umsetzung bekannt gegeben.
Holz punktet als nachwachsender Rohstoff ebenfalls mit einer guten CO2-Bilanz. Im Gegensatz zu den genannten großen Brands positionieren sich immer mehr junge Start-ups mit Praxisbeispielen für eine gelungene Umsetzung von Verpackungsalternativen. In der Sendung „Höhle der Löwen“ stellte erst kürzlich das Start-up ‚Rezemo‘ die ersten Kaffeekapseln vor, die zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen. Das Material aus Holzspänen und biobasierter Beschichtung würde sich auch für andere Verpackungen eignen. Über weitere Ansätze für Materialalternativen für Plastik, Nylon oder Polyester von Algen bis zur Chicorée-Wurzel haben wir ja bereits berichtet.
Prozessoptimierung und Materialmix
Hürden für den Wechsel zu biobasierten Verpackungsalternativen sehen Experten unter anderem in fehlenden Industriestandards und bestehenden Prozessketten für eine kostengünstige und effiziente Herstellung. Ersatzrohstoffe müssten also entweder in bestehende Prozessketten integrierbar werden oder die Umstellung auf neue Maschinen und Prozesse muss so lohnend bzw. verpflichtend sein, dass die Hersteller auf neue Fertigungsmaschinen und -prozesse umstellen.
Im Resümee zur Fachpack betonten die Austeller außerdem, dass der Fokus auf einen bestimmten Rohstoff langfristig nicht nachhaltig sein kann. Mit Materialmix und neuen Anwendungsmöglichkeiten ist die Branche aber auf einem guten Weg ressourcenschonender zu werden. Dazu tragen nicht nur die Hersteller der Packstoffe bei, sondern auch die Maschinenhersteller mit einer höheren Flexibilität beim Handling der unterschiedlichen Verpackungen. Auf diese Weise steht den Kunden bereits heute eine größere Auswahl für ihr individuelles und nachhaltiges Verpackungskonzept zur Verfügung.