Forscher der Universität Hohenheim entwickeln ein Computermodell, das erstmals den Einfluss des Pflanzenwachstums auf das Klima berücksichtigen soll. Was auf den Feldern wächst, hat entscheidend Einfluss auf das Klima – und umgekehrt. Gleichzeitig ist das Forschungsprojekt ein Baustein für eine neue Generation von Wetter- und Klimamodellen, die nicht nur globale Klimatrends berechnen, sondern auch die Entwicklung des Klimas direkt vor Ort und in der Region prognostizieren.
Darüber, welchen Einfluss das Klima auf Pflanzen hat, wird viel berichtet – umgekehrt haben aber auch landwirtschaftliche Pflanzen einen direkten Einfluss auf das regionale Klima. Die Pflanzen lassen Wasser verdunsten, nehmen einen Teil der Sonnenenergie auf, strahlen einen Teil davon ab und beeinflussen so zum Beispiel Wärmehaushalt, Wasserkreislauf, Wolkenbildung, Wind und Regen. Dabei macht es einen Unterschied, ob Winterweizen bereits im Frühjahr den Boden bedeckt oder Mais erst ab Mai. Entscheidend ist auch wie groß die Pflanzen sind und wie viele Stockwerke von Blättern den Boden vor der Sonne abschirmen.
Wie sich verschiedene Pflanzen auf unterschiedlichen Böden entwickeln, wie viel Ertrag sie bringen, wie viel Sonnenlicht sie aufnehmen und wie sie Wasser verdunsten, Wolken bilden und das Klima vor Ort beeinflussen – all dies lässt sich mit einem neuen Computermodell der Universität Hohenheim Jahrzehnte weit in die Zukunft berechnen. Das Teilprojekt der Forschergruppe „Regionaler Klimawandel“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziell gefördert.
Wenig regionaler Bezug bei bisherigen Klimamodellen
In gängigen Klimamodellen sind vor allem die regionalen Effekte nicht berücksichtigt. „Diese Modelle vereinfachen: Sie nehmen die Vegetation eines bestimmten Jahres und frieren diesen Zustand ein“, erklärt Prof. Dr. Thilo Streck, Biogeophysiker an der Universität Hohenheim und Leiter des Projektes. Um einen weltweiten Temperaturanstieg zu berechnen, mag diese Näherung gut genug sein. Doch „was nützt mir ein großräumiger Durchschnittswert, wenn es in Teilen von Deutschland noch viel heißer wird, in anderen vielleicht sogar abkühlt“, urteilt Prof. Dr. Streck. „Wir wollen genauere Berechnungen für kleine Regionen, um uns wirklich auf den Klimawandel einstellen zu können. Landwirte werden auf die sich ändernden Klimaverhältnisse reagieren, indem sie andere Pflanzen anbauen – all diese Wechselwirkungen werden in heutigen Computermodellen nicht berücksichtigt.“
Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich die Forscher mit Wissenschaftlern aus der Meteorologie, Agrarbiologie und Agrarökonomie der Universität Hohenheim zur Forschergruppe „Regionaler Klimawandel“ zusammengeschlossen. Das virtuelle Pflanzenwachstum in ihren Computern ist ein Baustein für eine neue Generation von methodisch angelegten Klimamodellen, die Prognosen mit höherer Genauigkeit errechnen. Rund drei Jahre lang haben die Gruppen an ihren jeweiligen Komponenten gefeilt und fügen diese nun zu einem Gesamtbild zusammen.
Die Forschungsgebiete umfassen dabei die Themen:
- Klimatischer Einfluss von Boden und Vegetation und Auswirkung des künftigen Klimas auf Boden und Vegetation
- Präzise Prognosen von Wolkenbildung, Niederschlag und Wärmeprozessen
- Reaktionen von Landwirten auf den Klimawandel (welche Feldfrüchte sie wählen und wann sie sie ausbringen)
- Einfluss künftiger Temperaturen und die Zusammensetzung der Atmosphäre auf die Qualität von Agrarprodukten
Für die komplexen Berechnungen nutzen die Forscher den Supercomputer Hornet am High Performance Computing Center Stuttgart (HLRS) – Teil des größten und leistungsfähigsten Supercomputing Netzes Europas. Trotzdem können die komplexen Testläufe jeweils Tage bis Wochen dauern.
Aktuell beherrscht das Computermodell die gängigen Hauptkulturen wie Weizen, Raps, Mais, Sommer- und Wintergerste. Jetzt soll es erweitert werden, denn „wir rechnen damit, dass mit dem Klimawandel verstärkt neue Kulturen angebaut werden. Soja ist auf unseren Äckern bereits angekommen und die Sonnenblume erlebt ein Comeback – diese Pflanzen wollen wir jetzt auch in unser Modell integrieren“, erklärt Dr. Joachim Ingwersen aus Forschungsgruppe.
Quelle und weitere Informationen: http://klimawandel.uni-hohenheim.de
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