Forscher des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben eine Idee veröffentlicht, um den Anstieg des Meeresspiegels zu verhindern. Sie wollen die instabilen Gletscher des westantarktischen Eisschildes großflächig künstlich beschneien. So soll das Eis wieder stabilisiert und die Eisschmelze aufgehalten werden. Doch das würde massives Einschreiten in die Natur und vielleicht die Zerstörung eines der letzten weitgehend unberührten Ökosysteme der Erde bedeuten. Wäre es das überhaupt wert?
Meeresspiegelanstieg unvermeidbar
Eine der vielen Folgen des menschengemachte Klimawandels ist der Anstieg des Meeresspiegels wegen des abschmelzenden Eises an den Polen. Wie weit er steigen wird, ist derzeit noch umstritten. Es wird davon abhängen, ob die Menschheit den Ausstoß klimaschädlicher Gase reduzieren kann. Sollten wir die Emissionen innerhalb der nächsten Jahrzehnte drastisch verringern, könnte die Erderwärmung auf rund 1,5 Grad begrenzt werden. Dass uns das gelingt, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Und selbst dann wird das Eis über die Jahrhunderte weiter abschmelzen.
Sollten die Eisschilde völlig auseinanderbrechen, könnte der Meeresspiegels weltweit um etwa drei Meter steigen. Das würde ganze Regionen überschwemmen und Millionen Menschen heimatlos machen.
Kunstschnee für die Antarktis
Wissenschaftler des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben deshalb in einer Studie untersucht, wie ein solcher Kollaps aufgehalten werden könnte. Bei Computersimulationen haben die Klimaforscher den Schneefall in den betreffenden Regionen weit über das gewöhnliche Maß erhöht.
Dabei fanden sie heraus, dass „eine riesige Menge Schnee den Eisschild tatsächlich in Richtung Stabilität zurück drücken und die Instabilität stoppen kann“.
Die instabilen Gletscher des westantarktischen Eisschildes könnten also mit Billionen Tonnen Kunstschnee beschneit werden, so die Idee der Wissenschaftler. Der Kunstschnee soll dabei aus Meerwasser gewonnen werden und die Energie für die Schneekanonen sollen Windturbinen liefern. Doch das müsste in gewaltigen Ausmaßen geschehen. Die Forscher sprechen von mehreren hundert Milliarden Tonnen Wasser, die pro Jahr aus dem Ozean gepumpt werden müssten, und die dann über einige Jahrzehnte hinweg auf das Eis geschneit werden würden.
Sollen wir die Antarktis opfern?
Ein solches Vorhaben würde beispiellose Ingenieurslösungen erfordern, betonen die Forscher. Sollte es tatsächlich umgesetzt werden, sei eine „der letzten unberührten Regionen erheblichen Umweltrisiken ausgesetzt“. Anders Levermann, Physiker am PIK sagte: „Im Kern geht es um die Abwägung, ob wir als Menschheit die Antarktis opfern wollen, um die heute bewohnten Küstenregionen und das dort entstandene und entstehende Kulturerbe zu retten“.
Sie seien sich der Schwere eines solchen Eingriffs bewusst, versichern die Autoren. Auch betonen sie, dass es nur dann Sinn mache, wenn das Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten werde. Sie sprechen von potenziell schädlichen Auswirkungen auf die Region, die „wahrscheinlich verheerend“ wären. Daher müssen die Risiken und Kosten „sehr sorgfältig gegen die potenziellen Nutzen abgewogen werden“.
Wäre es das wert?
Falls ein solches Vorhaben tatsächlich umsetzbar sein sollte, und falls es sich als wirklich wirksam gegen den Zerfall des Eisschildes erweisen sollte, geht es letztendlich also um die Frage: Wäre es das wert? Sollten wir ein intaktes Ökosystem zerstören, um so gegen den von uns verursachten Meeresspiegelanstieg vorzugehen? Sollen die Menschen die Umwelt schädigen, um gegen die von ihnen verursachten Schäden vorzugehen?
„Die offensichtliche Absurdität des Unterfangens, die Antarktis künstlich zu beschneien, um eine Eisinstabilität zu stoppen, spiegelt die atemberaubende Dimension des Meeresspiegelproblems wider“, schließt Levermann. Die Absurdität der Vorgehensweise an sich lässt er unkommentiert.