Vor kurzem gab es auf einer Autobahn in der Nähe von Rostock einen schrecklichen Unfall: 80 Autos rasten ineinander, acht Menschen starben. Der Grund war ein Sandsturm aus aufgewirbelter Erde vom Acker neben der Autobahn. Windböen bis zu Windstärke 10 (etwa 100 Kilometer pro Stunde) fegten über die Felder, die nach zu wenigen Regenfällen ausgetrocknet waren, und wehten massenweise Staub auf. Dust Bowl nennt man das Phänomen in den USA, das besonders in den 30er und 40er Jahren in den sogenannten Great Plains auftrat, wo man flächenhaft Präriegras gerodet hatte, um landwirtschaftliche Nutzflächen zu erhalten. Jahrelange Dürren hatten damals fatale Folgen gehabt. Die tiefen Wurzeln des Präriegrases dienten als Erosionsschutz, ohne diesen Schutz waren die oberen Bodenschichten massiver Erosion ausgesetzt und es kam zu riesigen Staubstürmen.
Der Staubsturm an der A19 hatte ähnliche Ursachen. Im Frühjahr brachliegende Böden sind ohne Vegetationsdecke schutzlos Wind und Wetter und damit Erosionsprozessen ausgesetzt. Die intensive Bewirtschaftung tut das ihre. BUND-Experte Burkhard Roloff hatte nach dem Unglück erklärt, dass durch die jahrelange Vernachlässigung der Bodenstruktur die Böden immer weniger Humusgehalt haben und somit degradieren.
Nachhaltigere Bewirtschaftungsmethoden könnten Abhilfe schaffen, beispielsweise der Anbau mehrjähriger Arten. Der herkömmliche einjährige Bewirtschaftungszyklus belastet die Böden stark. Alljährlich wird erneut Saat ausgebracht, werden die Felder gedüngt und anschließend abgeerntet. Die Böden degradieren dadurch immer stärker und liegen außerdem zeitweise brach. National Geographic stellte kürzlich in Vergessenheit geratene mehrjährige Nutzpflanzen vor, mit denen dieser Kreislauf durchbrochen werden könnte. Mehrjährige Arten zeigen eine Reihe von Vorteilen gegenüber einjährigen Pflanzen. So haben sie viel längere Wurzeln (um die drei Meter). Damit halten sie den Boden fest, kommen leichter an Grundwasser und brauchen zudem weniger Dünger. Dadurch ist auch der Anbau auf weniger ertragreichen Böden möglich. Vor allem aber bedecken mehrjährige Sorten den Boden ständig, so dass dieser vor direkter Erosion geschützt ist. Weiterhin binden sie dauerhaft CO2 und bilden auch neuen Boden. Da weniger Arbeitsgänge erforderlich sind, ist auch der Maschineneinsatz geringer, das wiederum spart fossile Treibstoffe.
Die Ursachen dafür, weshalb wir heutzutage vor allem auf einjährige Arten setzen, liegen weit zurück in der Steinzeit. Einjährige Sorten hatten womöglich die größeren Samenkörner, weshalb sie für die Menschen damals attraktiver waren, vermuten Wissenschaftler. Durch die jährliche Auswahl der besten Sorten wurden die Pflanzen rasch ertragreicher. Erst in der heutigen Zeit der Massenproduktion machen sich die negativen Auswirkungen des Anbaus einjähriger Sorten bemerkbar. Wissenschaftler arbeiten nun an der Zucht mehrjähriger Pflanzen. Für die Landwirtschaft wären sie eine große Bereicherung. Abgesehen vom natürlichen Bodenschutz werden Kosten für die jährliche neue Aussaat und auch für Dünger gespart. Weniger Schadstoffeintrag wiederum stellt eine geringere Belastung für Böden, Umwelt und Wasser dar.
Gute Erfolge haben die Forscher inzwischen mit dem Weizengras (Thinopyrum intermedium) erzielt, das mit unserem Winterweizen verwandt ist. Andere Projekte experimentieren mit mehrjährigen Sorten Mais, Sonnenblumen, Hirse, Flachs und Ölsaaten. Um den Anbau mehrjähriger Arten durchzusetzen, bedarf es allerdings ein generelles Umdenken. Auch wenn der Industrie zunächst Einnahmen etwa aus dem Vertreib von Saatgut oder Düngemitteln entgehen: Langfristig ist das jetzige Bewirtschaftunsgsystem angesichts steigender Nachfrage, steigender Bevölkerungszahlen und steigender Energiepreise nicht aufrecht zu erhalten.
Josephin Lehnert
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