Die drei großen russischen Flüsse Ob, Lena und Jeniseei tragen als Folge des weltweiten Temperaturanstiegs immer mehr Süßwasser in das arktische Meer. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam in einer Studie in der Fachzeitschrift Nature Climate Change.
„Die jährliche Wassermenge, welche die drei Flüsse heute in das Nordpolarmeer tragen, liegt mit rund 1.700 Kubikkilometern etwa zehn Prozent über ihrem Transportvolumen vor 60 Jahren“, sagt Prof. Rüdiger Gerdes vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, der an der Studie mitgearbeitet hat. Untersucht hatten die Wissenschaftler, inwieweit die gestiegenen Durchflussmengen auf Veränderungen der großräumigen atmosphärischen Zirkulation zurückzuführen seien.
Sie kommen zu alarmierenden Ergebnissen. So sei beispielsweise das sogenannte Islandtief in den vergangenen Jahren immer weiter in Richtung Osten vorgedrungen. Das Islandtief versorgt normalerweise den west- und nordwesteuropäischen Raum mit Niederschlägen. Nun dringen die Luftmassen immer weiter in Richtung Sibirien vor und bringen viel Feuchtigkeit in die Einzugsgebiete der drei großen Sibirischen Ströme. „Je wärmer die Atmosphäre wird, desto mehr Feuchtigkeit kann sie speichern“, sagt Rüdiger Gerdes vom AWI.
Er geht zudem davon aus, dass sich die Entwicklung fortsetzen wird und das ins Nordpolarmeer gespülte Süßwasservolumen weiter zunehmen wird. Auswirkungen habe der vermehrte Süßwasserzufluss den Wissenschaftlern zufolge bisher keine, weil die Gesamtsumme zu unbedeutend sei. Auf längere Sicht jedoch könnte das Phänomen zu einer Abkühlung in Nordeuropa führen, wie eine Anfang des Jahres im Wissenschaftsmagazin Science erschienene Studie nahelegt.
Das Süßwasser im Nordpolarmeer könnte demnach die Ozeanströmungen hemmen, die bislang Wärme nach Nordeuropa transportiert haben. Auch beeinflusst der Salzgehalt des Meerwassers die Eisentwicklung im Nordpolarmeer; eine Zunahme des Süßwassergehalts könnte eine stärkere Eisschmelze auslösen. Noch ist die Zunahme des Süßwasseranteils unbedeutend, unterliegt aber einer scharfen Beobachtung durch die internationale Forschungsgemeinschaft.
Josephin Lehnert
Eigentlich hatte ich beabsichtigt in diesem Kommentar nur den Artikel zu loben, aber nun muss ich es doch loswerden: dieses Bild zum Artikel ist einfach atemberaubend. Tolle Auswahl!