Das einzige deutsche Feldexperiment zur Speicherung von CO2 im Boden geht zu Ende. Acht Jahre lang haben Wissenschaftler des Deutschen Geoforschungszentrum im brandenburgischen Ketzin untersucht, ob sich klimaschädliches CO2 in großer Tiefe entsorgen lässt. Die Tests seien erfolgreich gewesen, teilen die Verantwortlichen mit. Die neue Technologie wird allerdings seit Jahren von Klima- und Umweltschützern wegen der vielen Nachteile und Gefahren scharf kritisiert. Greenpeace demonstrierte vor Jahren gar mit dem Slogan: „Zeitbombe CO2-Endlager“.
Bis 2020 will die Bundesregierung den CO2-Ausstoß in Deutschland um 40 Prozent reduzieren (gegenüber 1990). Ein sehr ambitioniertes Ziel. Dazu werden alle Möglichkeiten zur Verringerung der CO2-Emissionen in Betracht gezogen, selbst solche, die nur eine „Lösung auf Zeit“ sind.
Eine dieser „Lösungen auf Zeit“ ist das sogenannte Carbon Capture and Storage (CCS) Verfahren. Die Idee dahinter: CO2, beispielsweise aus Kohlekraftwerken, gelangt nicht mehr in die Atmosphäre, sondern wird noch im Kraftwerk aufgefangen und anschließend in die Erde gepresst. Doch verbleibt es, gefangen unter tausenden Tonnen Gestein. Theoretisch bis in alle Ewigkeit. So endgelagertes CO2 kann schließlich nicht zum Treibhauseffekt und auch nicht zum Klimawandel beitragen. Deckel drauf, Problem gelöst.
Doch so einfach und genial diese Methode auch klingt – die versteckten Risiken und Probleme sind groß. So groß, dass viele Klima- und Umweltschützer seit Jahren Sturm laufen gegen das neue Verfahren, und sich sogar zahlreiche Bürgerinitiativen bildeten und intensiv gegen die in Deutschland ursprünglich geplanten Anlagen vorgingen.
Vorgesehen waren einmal vier CCS-Anlagen, verteilt in ganz Deutschland. Zwei kommerzielle, betrieben von den beiden großen Energieversorgern RWE und Vattenfall und zwei Forschungsanlagen. Übrig geblieben ist nur eine: Die CCS-Versuchsanlage in Ketzin nahe Brandenburg. Zumindest dort wurde in den letzten acht Jahren kräftig getestet, um Antworten auf die offenen Fragen der umstrittenen Technologie zu finden.
Denn trotz der theoretischen Machbarkeit war weitgehend unklar, ob sich CO2 überhaupt ohne Probleme in der Erde lagern lässt. Entweicht möglicherweise Gas, trotz der vielen verschiedenen Gesteinsschichten, nach denen das Testgebiet in Ketzin gezielt ausgesucht wurde? Und könnte die Technologie, ähnlich wie Fracking, möglicherweise leichte Erdbeben auslösen? Schließlich wird das CO2 unter hohem Druck in die Erde gepresst, bis zu 800 Meter tief.
Neben diesen Unklarheiten betonen viele Kritiker, Kohlekraftwerke, die CO2 mittels des CCS-Verfahren speichern, seien dadurch keinesfalls CO2-neutral. Zu einem entsprechenden Ergebnis kam bereits vor Jahren das Umweltbundesamt. Die für die Speicherung des CO2 benötigte Energie führe dazu, dass deutlich mehr Kohle verfeuert werden müsse. Das bedeute mehr Tagebaue und Kohleförderung und natürlich auch steigende CO2-Emissionen. Und selbst die effizientesten CCS-Anlagen speichern maximal 90 Prozent des entstandenen CO2. Klimaeutral seien solche Kohlekraftwerke damit nicht.
Ein weiterer Nachteil: Geeignete Endlagerstätten für das Treibhausgas finden sich selten dort, wo die Kraftwerke stehen. Das CO2 muss also über weite Strecken transportiert werden. Das verursacht weitere Kosten und Emissionen. Unter dem Strich werde der Kohlestrom durch das CCS-Verfahren damit zwar CO2-ärmer aber auch teurer. Bei den stark gesunkenen Preisen für völlig CO2-neutrale Erneuerbare Energie könnte dieser Strom nicht mithalten.
Die Forscher im brandenburgischen Ketzin um den Projektleiter Axel Liebscher vom Deutschen Geoforschungszentrum glauben trotz dieser Nachteile an die CCS-Technologie. Acht Jahre haben sie am Pilotstandort insgesamt rund 67.000 Tonnen CO2 in den Boden gepresst. Nun werden die Bohrlöcher versiegelt und das Experiment beendet.
Laut Liebscher mit Erfolg: „Unsere bisherigen Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die geologische Speicherung von Kohlendioxid bei adäquater wissenschaftlicher und technischer Begleitung ein sicherer und gangbarer Weg ist“.
Bei den Tests sei weder CO2 durch Lecks an die Oberfläche gelangt, noch habe es sich vertikal ausgebreitet, so die Forscher. Befürchtungen ob der Risiken der neuen Technologie hätten sich damit nicht bestätigt. Zumindest nicht für die geologischen Gegebenheiten am Standort Ketzin.
Übertragbar auf andere Standorte sei das allerdings nicht, so Liebscher: „Die Übertragbarkeit von Ketzin auf andere Standorte ist immer schwierig, weil natürlich die Geologie an jedem Standort unterschiedlich ist. Was wir von Ketzin übertragen können, sind die Überwachungsmethoden, die wir eingesetzt haben.“
Doch trotz der erfolgreichen Feldversuche, so sagt auch Liebscher, könne das CCS-Verfahren lediglich eine „Lösung auf Zeit“ sein: „Wer der Meinung ist, dass man nur mit CCS das Klimaproblem wird lösen können, der ist auf dem Holzweg“.
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Zudem weiter viele Fragen offen sind: Wie lange kann das CO2 in der Erde bleiben? Was passiert damit in hundert oder gar 500 Jahren? CCS würde eine Endlager-Problematik auslösen, ähnlich heute bei der Atomkraft. Wer überwacht dann die Sicherheit an den Speicherstandorten? Was passiert bei Erdbeben oder anderen Naturkatastrophen?
Was bei einem plötzlichen Freiwerden großer Mengen passieren könnte, zeigte eine Naturkatastrophe am Nyos-See in Kamerun. Dort traten 1986 rund 1,7 Millionen Tonnen vulkanisches CO2 bei einer Eruption schlagartig aus. Das farb- und geruchlose Gas erstickte in dieser Nacht rund 1700 Anwohner.
Quelle: Deutschlandfunk / Geoforschungszentrum Potsdam / Greenpeace
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