Emotional geladen: Umdenken beim Thema Mobilität

Emotional geladen: Umdenken beim Thema Mobilität

Neue Städte, saubere Umwelt, niedrige Energiekosten… das sind die Visionen der Anhänger der Elektromobilität. Die Gegner halten dagegen – fehlende Steuereinahmen könnten das gesamte Wirtschaftssystem in Frage stellen. E-Mobility gefährde Arbeitsplätze, Technologien gingen verloren. Und natürlich werden die Anhänger der Benzinmobilität ihre Produktionshallen nicht freiwillig räumen und auch ihre Raffinerien nicht ohne Widerstand abschalten. Die Roundtablediskussion des CleanEnergy Projects zeigt die  aktuellen Themen einer aufgeregten Diskussion.

„Elektromobilität wird kommen“, sind sich die Experten einig, die am CleanEnergy-Roundtable in Berlin Platz genommen haben. Nur wann und wie der Wechsel von Benzinmotoren kommen wird, spaltet die Experten am Tisch. „Elektrofahrzeuge können schon heute die Erwartung der Kunden zum größten Teil erfüllen“, heißt es auf der einen Seite. „Solange die E-Fahrzeuge nicht in Mobilitätskonzepte eingebunden oder mit Zusatzantrieben ausgerüstet sind, wird E-Mobilität nie funktionieren“, argumentiert die andere Seite des Tisches.

Denn die Konzepte müssten den Standard der heutigen Mobilität abbilden. Und der Standard heiße eben „Reiselimousine“, biete Platz für eine vierköpfige Familie mit Gepäck und Haustier. Diese Fahrzeuge eigneten sich für private Ausflüge ebenso gut wie als Geschäftswagen. Das Arbeitstier des deutschen Mittelstandes bringe die Kinder zuverlässig ein paar Kilometer bis zur Schule. Und lange Fahrten kann eine vollbesetzte Reiselimousine ohne Probleme mit 200 Kilometern in der Stunde bewältigen. Genau hier hat sie ihre Stärke gegenüber den Elektrofahrzeugen.

Denn deren Reichweite ist auf Grund ihrer Batterie stark eingeschränkt. Sie könnten nur dann erfolgreich sein, falls Hersteller und Experten das Problem der langen Distanzen zuverlässig lösen. Dazu könnten die Fahrzeuge selbst durch andere Antriebsarten ergänzt – oder die E-Autos in eine weiterreichende Infrastruktur eingebunden werden. Denkbar seien Car-Sharing-Konzepte, Flottenmanagement und vernetzte Verkehrsangebote.

„In der nahen Zukunft erwarten wir keine große Leistungserhöhung bei den bezahlbaren, für die Mobilität einsetzbaren Batterien – weder bei den Ladezeiten noch bei den Reichweiten. Deshalb setzen wir neben unseren Batterie-Elektro-Fahrzeugen Wasserstoffantrieb als ergänzende Technologie ein“, sagt Gérard Planche, Adam Opel AG, zuständig für den Markt-Test von Brennstoffzellenautos. „Batterie-Elektro-Fahrzeuge sind heute für Stadtfahren und für kurze Strecken völlig in Ordnung. Wenn die Kunden eine schnelle Betankung brauchen oder eine lange Strecke zurücklegen wollen, geben wir ihnen die Möglichkeit, Wasserstoff zu tanken und damit zu fahren.“

Momentan seien mehr als 100 dieser Fahrzeuge in Erprobung, bis zum Jahr 2015 könnte Opel ein serienreifes Modell auf den Markt bringen.

Das gegenteilige Konzept zum braven Familienwasserstoff-Opel ist das E-Rockit. Ein E-Motorrad, das mit Leistung, Geschwindigkeit, Elektrizität und Emotionen spielt. Die Leistungen der heutigen Batterien reichen aus, um das E-Motorrad zusammen mit seinem Fahrer durch die Stadt zu katapultieren.

„Ein E-Rockit ist ein Zwischending aus einem Fahrrad und einem E-Motorrad“, beschreibt Stefan Gulas das von ihm mit entwickelte E-Zweirad. Anderes als bei herkömmlichen Autos oder Benzinmotorrädern sei das Fahren des E-Rockits aktiv – weil es wie ein Fahrrad bedient wird. „Für die Fahrer ist das E-Rockit hoch emotional und extrem cool. Zum Beispiel weil sie an der Ampel jeden Porsche einfach stehen lassen können.“

Der Argumentation der Alltagstauglichkeit setzen die Befürworter der E-Mobilität die Emotionen entgegen. „Emotionalität“ scheint ein Schlüsselbegriff bei der Diskussion um die E-Fahrzeuge zu sein.

„Unser Produkt ist zwar der Strom, aber wir wollen emotionale Themen wie ‚Mobilität‘ besetzen und unser Angebot darauf abstimmen“, erklärt Florian Müller, Produktmanager bei Lekker Energie. Sein Unternehmen biete für Haushalts- und kleinere Gewerbekunden ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen an – „für uns macht Elektromobilität nur Sinn, wenn die Autos mit ‚grünem Strom‘ fahren.“

„Ich bin anderer Meinung“, antwortet Stefan Pechardscheck Partner bei BearingPoint. Wichtig sei das überhaupt Autofahrer zur E-Mobilität wechseln. „Gleichgültig mit welchem Strom sie unterwegs sind.“ Nur so könne die Energiewende realisiert werden.

Pechardscheck möchte die E-Fahrzeuge in bestehende und neue Mobilitätskonzepte einbinden. Hierfür sei die Informationstechnologie entscheidend. „Schwerpunkte dabei sind Kommunikation, Abrechnung, Car-Sharing-Angebote, Flottenmanagement und ‚intelligente‘ – also IT-gesteuerte – Komponenten im Auto“, betont er.

Informationstechnologie ist unbestreitbar eine Schlüsseltechnologie für E-Mobilität. Sie ist nicht nur einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren – sondern gleichzeitig eines der größten Risiken. Denn wenn die Hersteller ihre Autos zu Computern auf vier Rädern wandeln, werden die Fahrzeuge ähnlich angreifbar wie ein Mobiltelefon oder ein PC.

„Unser Ziel ist, Fahrzeuge gegen Angriffe von Hackern zu schützen. Außerdem erkennen wir den Datenschutz als eine weitere riesige Herausforderung“, sagt Harry Knechtel, Secunet. Denn, wie Testinstallationen zeigen, werden „bei einem Ladevorgang spezifische Fahrzeugdaten übermittelt, aus denen sich gegebenenfalls Bewegungsprofile ableiten lassen.“

Andere Experten berichten, dass für eine zentrale Leitstelle die Positionen der Fahrzeuge zu jeder Zeit sichtbar seien – weil die Autos die gesamte Zeit an das Internet angebunden sind. Damit steht ein Phänomen aus der Internetwelt auf der Agenda der E-Mobility-Experten. Das sogenannte „Facebook-Paradoxon“ bezeichnet die Notwendigkeit zum Schützen der Privatsphäre auf der einen Seite. Und den damit konkurrierenden Drang der Menschen möglichst viele private Einzelheiten in einem öffentlichen Raum wie dem Internet zu publizieren.

Zu welchem Extrem wird die erste Generation neigen, die mit E-Mobilität aufwächst? Wollen die sogenannten „Elektromobilen Eigeborenen“ – die e-Mobile Natives – mit ihrem Auto sichtbar sein? Oder bestehen sie auf Privatsphäre während einer Überlandfahrt?

„Umdenken“ wird also neben „Emotionen“ und „Informationstechnologie“ ein drittes Leitmotiv beim Durchsetzen der Elektromobilität sein. Umdenken ist gefordert bei den Mobilitätskonzepten, bei der Auswahl der Fahrzeuge, bei der Wahl der Energie, bei den Möglichkeiten der Informationstechnologie – und auch beim Umweltbewusstsein.

„Jeder wird seinen eigenen Beitrag für die klimaneutrale Welt schaffen“, ist sich Daniel Chardon vom Green Mobility Magazin sicher. „Die Autofahrer werden bei sinkenden Preisen sehr schnell zu E-Fahrzeugen oder E-Bikes wechseln. Ich denke, dass im Moment das Bewusstsein die Größe des Angebotes bei weitem übertrifft.“

Er verweist auf die Verantwortung der Menschen gegenüber den folgenden Generationen. „So gesehen ist es unnötig, mit einem Sechszylinder Motor und mehreren hundert Kilogramm Stahl, Aluminium, Glas und Lack die Kinder aus der Schule um die Ecke abzuholen“, unterstreicht Chardon.

„Die Reichweiten der Fahrzeuge sind für den alltäglichen Gebrauch ausreichend“, findet auch Karsten Wiedemann, Redakteur beim Fachmagazin Neue Energie/New Energy. „E-Mobilität macht natürlich nur Sinn, wenn die Fahrzeuge ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben werden.“

Macht es das? Kopfschütteln auf der anderen Seite des Tisches – hier sieht man es schon als Erfolg, wenn die Autofahrer überhaupt in Elektroautos wechseln. „Beim deutschen Energiemix erzeugt ein E-Fahrzeug immer noch so viele Emissionen, wie ein kleines Dieselauto – nur eben nicht per Auspuff, sondern im Kraftwerk“, wendet Wiedemann ein.

„Wenn wir von heute auf morgen die gesamte deutsche Automobilflotte umstellen würden, benötigten wir etwa 20 Prozent des derzeit erzeugten Stroms“, sagt Lorenz Köll, Forschungsstelle für Energiewirtschaft. „Es ist kein Problem die benötigte Energie aufzubringen – selbst wenn die Fahrzeuge in Zukunft ausschließlich mit grünem Strom fahren.“

Und je dezentraler diese Energie erzeugt wird, desto mehr regionale Energien würden auch für die E-Mobilität genutzt werden. „Viele Milliarden Euro werden dann nicht mehr für Benzin und Erdöl in alle Welt überwiesen werden, sondern hier im Land bleiben. Volkswirtschaftlich haben erneuerbare Energien das Potential mehr Menschen Arbeit zu geben, als die Ölindustrie das kann“, meint Volker Blandow, Ludwig-Bölkow-Systemtechnik.

Ein Traum für viele Autofahrer – eine Albtraum für den Staat. Denn heute nimmt er viele Milliarden aus der Mineralölsteuer ein, die bei einer Umstellung auf strombetriebene Elektro-Kfz nicht mehr zu erheben ist. „Dafür hat noch niemand eine Lösung und deshalb gibt es auch die vielen Bedenkenträger in der Politik“, sagt Roland Zimmermann, Mitglied des FDP-Fachausschusses FA 12, Regionalentwicklung und Verkehr. „Sie zu überzeugen wird eine wesentliche Aufgabe für die nächsten Jahre sein.“

Christian Raum

1 Kommentar

  • Warum denkt in der Branche niemand eine Synergie zwischen Straße und Schiene? Per Railtaxi http://www.astrail.de/railtaxibilder.htm braucht man keinen langstreckentauglichen Antrieb mehr. Damit wäre das eAuto recht schnell massentauglich. Noch ein automatisches bilaterales Stromhandelssystem für alle dazu und schon werden die jeweils saubersten Energieträger systembedingt bevorzugt.

    Beste Grüße
    Christoph Müller

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