Prof. Dr. Gerhard Prätorius ist Leiter Koordination CSR und Nachhaltigkeit bei der Volkswagen AG. Im Interview mit dem CleanEnergy Project spricht er über wirtschaftliche, ökologische und soziale Anliegen und Prioritäten des Automobilkonzerns.
Herr Prof. Prätorius, in Deutschland verliert das Auto allmählich seine Rolle als Statussymbol. Stattdessen nutzen insbesondere junge Erwachsene zunehmend alternative Mobilitätsangebote. Wird der Fahrzeugbestand in Deutschland daher mittel- bis langfristig zurückgehen?
Momentan lassen sich weltweit sehr unterschiedliche Prozesse beobachten. In manchen Teilen der Welt wächst die Nachfrage nach Autos noch sehr stark. Andere Märkte – und da gehört Deutschland dazu – sind dagegen in einer gewissen Weise saturiert. Wenn dann noch demographische Effekte hinzukommen ist es grundsätzlich möglich, dass eine gewisse Reduktion stattfindet. Die Qualität des Mobilitätssystems darf aber insgesamt nicht leiden, und seine Organisation muss sich dem Bedarf und neuen Trends anpassen. Eine bessere Organisation von Mobilität sowie neue Mobilitätsformen, wie beispielsweise Carsharing, können hier ergänzende Lösungen bieten.
Wenn sich also Märkte wie Deutschland, in denen sich solche alternativen Mobilitätskonzepte stark entwickeln, in diesen Bereichen engagieren, sehen wir für unser Unternehmen durchaus eine technologische Chance und keine Bedrohung.
Das heißt, Volkswagen konzentriert sich auch auf neue Geschäftsmodelle?
Ja, insbesondere im Bereich Flottenmanagement und Carsharing sind wir schon länger aktiv. So testen wir beispielsweise Carsharing-Modelle in einem Pilotprojekt in Hannover und kooperieren mit dem Carsharing-Anbieter Greenwheels. Uns ist wichtig, dass diese Diversifizierung einen kontinuierlichen Prozess darstellt. Wir sondieren verschiedene Möglichkeiten und ich bin mir sicher, dass dabei interessante Lösungen heraus kommen.
Sie sind bei Volkswagen für den Bereich Corporate Social Sustainability (CSR) und Nachhaltigkeit zuständig. Verfolgt VW bei seiner Nachhaltigkeitsstrategie eigentlich einen bestimmten Schwerpunkt?
Ich denke die Stärke der Nachhaltigkeitsstrategie bei VW ist, dass wir, bei dem was wir tun, stets darauf bedacht sind, ökonomische, ökologische und soziale Aspekte in einer guten Balance zu halten. Das ist für uns Teil unserer Unternehmenskultur.
Können Sie ein konkretes Beispiel für dieses Vorgehen nennen?
Ja, zum Beispiel die Entscheidung, dass wir unsere Elektromotoren für unsere Elektrofahrzeuge in unserem eigenen Werk in Kassel herstellen. Neben der ökonomischen Dimension, das heißt Wirtschaftlichkeit, und der ökologischen Dimension, hier die Produktion von emissionsfreien Antrieben, gibt es gleichzeitig auch eine soziale Dimension: Wir stellen in dem Werk in Kassel auch Fahrzeuggetriebe her. In dem Moment, in dem möglicherweise Elektromotoren stärker nachgefragt werden als mechanische Getriebe, stellen wir sicher, dass die Arbeitsplätze vor Ort nicht verloren gehen.
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Wo Sie gerade das Thema Elektroantrieb ansprechen: Wer sitzt Ihrer Meinung nach am längeren Hebel, wenn es um den Zuwachs alternativer Antriebe geht – der Autokäufer oder der -hersteller?
Ich bin davon überzeugt, dass in der Marktökonomie in letzter Instanz immer der Konsument entscheidet. Die Unternehmen sind dagegen in der Verpflichtung – und das ist auch gleichzeitig ihre Chance – die richtigen Lösungen zu offerieren. Bei Volkswagen sind wir dabei in der tollen Situation, dass wir verschiedene Lösungen anbieten können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Corinna Lang
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