Bei dem Wort Ureinwohner denkt man gerne an indianische Völker tief im Amazonasgebiet oder Volksgruppen auf den weiten Steppen Afrikas, welche die Lebensweisen ihrer Vorfahren auch in der heutigen Zeit noch hochhalten und im Einklang mit ihrer Umwelt leben. Gerne werden Sie als Vorbilder für einen nachhaltigen Lebenswandel gesehen. Doch auch die Entwurzelung und Vertreibung jener Völker steht uns als Bild einer unschönen Vergangenheit vor Augen. Wie sich jedoch bei genauerer Betrachtung herausstellt, ist dieses Bild aktueller, als man glauben mag. So setzt Tansania den Schutz der Ureinwohner aus, die für ein Großprojekt von Weltkonzernen wie Nestlé, Unilever und Bayer aus ihren Gebieten vertrieben werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass im Rahmen eines solchen Projektes für zusätzliche Produktionsflächen Anwohner vertrieben werden. So sind einem NDR-Bericht zufolge in den vergangenen zehn Jahren durch Weltbank-Projekte etwa 3,4 Millionen Menschen umgesiedelt worden oder haben teilweise ihre Lebensgrundlage verloren. Dabei ist das Ziel der Weltbank eigentlich die Armut zu bekämpfen. Für das Projekt in Tansania jedoch würde sie sogar ihre eigenen Regeln außer Kraft setzen. Damit könnte ein Präzedenzfall geschaffen werden, nach dem auch zukünftig die Vertreibung anderer Urvölker begründet werden könnte.
Die Weltbank fördert das Projekt SAGCOT der tansanischen Regierung mit einem Kredit über 70 Millionen US-Dollar. Die Negativ-Folgen haben die Ureinwohner Tansanias zu tragen. So berichtet die Tagesschau:
Tansanias Regierung will im fruchtbarsten Drittel des Landes mit dem auf 20 Jahre angelegten Großprojekt SAGCOT ausländische Investitionen für die Landwirtschaft fördern und damit die Armut bekämpfen. Schon vor Projektbeginn wurden nach Berichten lokaler Hirten und Menschenrechtsorganisationen aber mindestens 5000 Ureinwohner vertrieben oder ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Bei Aktionen auch staatlicher tansanischer Kräfte sei es außerdem zu Todesfällen, Vergewaltigungen und anderen Menschenrechtsverletzungen gekommen.
„In Tansania ist es, als würden wir nicht existieren, als wäre es nicht unser Land“, klagt der Rinderhirte Salumu Kundaya Kidomwita. „Sie haben uns erzählt, dass wir hier kein Land haben, selbst wenn wir uns verweigern. Wir mussten also wegziehen – egal, ob wir das akzeptierten. Wie bösartig ist das bitte?“
Trotz dieser Berichte und der Kritik von Seiten verschiedener Menschenrechtler und Organisationen hat die deutsche Bundesregierung dem Projekt zustimmt. Die USA hingegen enthielt sich der Stimme, mit der Begründung, dass es „nicht überzeugend“ sei, dass die Weltbank der Argumentation Tansanias folgte und damit einen „bedauerlichen Präzedenzfall“ schaffe.
Die Folgen für die Ureinwohner sind verheerend; und mit Blick in die Zukunft, sind die Folgen für das Klima, die Umwelt und kommende Generationen noch viel schlimmer. Die beteiligten Großkonzerne sind nicht für ihre Aktivitäten im Bereich Umwelt- und Klimaschutz bekannt. Insbesondere Nestlé wurde bereits in der Vergangenheit für seinen Umgang mit natürlichen Wasserressourcen stark kritisiert und hat durch zu starkes Abpumpen von Wasserreservoirs zur Austrocknung zuvor fruchtbarer Gebiete beigetragen.
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Die Weltbank hatte bereits im letzten Jahr Reformen angekündigt. So sollen im Sommer neue Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank vorgelegt werden. Die Regel zum besonderen Schutz indigener Gruppen ist im letzten Entwurf noch enthalten.
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