Mit dem Energiekonzept der Bundesregierung wurde eine zentrale Energieversorgung durch Großkraftwerke weiter festgeschrieben. Das ist natürlich fatal für die bisherigen Bestrebungen, die Stromversorgung regenerativer und dezentraler zu organisieren als bisher.
Zeitweise ist schon heute zu beobachten, wie bei einem Stromüberangebot die Netzbetreiber regenerative Stromlieferanten ausbremsen, um die eigenen Großkraftwerke, mit denen sie oft im Verbund stehen, in ihrer Leistung nicht runterfahren zu müssen.
Vorrang für die erneuerbaren Energien aufgehoben
Noch einmal zum Vergleich: Es dauert durchschnittlich 50 Stunden, bis ein Atomreaktor wieder seine volle Leistungsstärke erreicht, nachdem er herunterfahren wurde. Ein Kohlekraftwerk braucht dafür immerhin noch rund vier Stunden, Gaskraftwerke meistens weniger als eine Stunde. Bei den Erneuerbaren reicht ein Knopfdruck, um die Anlagen innerhalb von Minuten vom Netz zu nehmen.
Abgesehen von dieser Entwicklung bei den Netzbetreibern, wurde im Stillen der auch von der Bundesregierung so stark unterstrichene Vorrang für die erneuerbaren Energien de facto einfach aufgehoben.
Die Herabstufung größerer, regenerativer Stromerzeuger wurde jüngst per Verordnung durch die Bundesnetzagentur in ihrem neuen „Leitfaden zum EEG-Einspeisemanagement“ festgeschrieben. Damit soll die zeitweilige Reduzierung der Einspeiseleistung aus erneuerbaren und regenerativen Energiequellen auf Anforderung des Netzbetreibers ganz legal werden, wenn die installierte Leistung des Großkraftwerkes, das dadurch an der Einspeisung gehindert wird, bei mindestens 100 Kilowatt liegt.
Im Klartext heißt das, dass EEG-, KWK- und Grubengasanlagen unabhängig von ihrer aktuell erzeugten Strommenge abgeschaltet werden können, obwohl diese eigentlich der Grund für die Abschaltung sein sollte. Bereits mittelgroße solare Aufdachanlagen und auch einzelne Windräder sind von dieser neuen Regelung betroffen.
„Einspeisemanagement-Maßnahmen“ legalisiert
Für die Kompensation der durch die „Einspeisemanagement-Maßnahme“, wie die Abschaltung der Anlagen im Behörden-Jargon genannt wird, entstandenen Kosten muss der Netzbetreiber gegenüber der Bundesnetzagentur zwar den Nachweis führen, dass die Abschaltung der regenerativen Kraftwerke im Einzelnen erforderlich war.
Die Frage stellt sich nur, wie die Behörde in einem Stromnetz, das im Viertelstunden-Rhythmus geregelt wird, die gemachten Angaben überhaupt überprüfen will. Abgesehen davon ist das viel größere Problem nach wie vor, dass die meisten Netzbetreiber gleichzeitig auch Kraftwerksbetreiber sind.
Die Aufhebung des absoluten Vorrangs für regenerativen Strom durch die Bundesnetzagentur bedeutet also im Endeffekt, dass erneuerbarer Strom zu Strom zweiter Klasse degradiert worden ist. Und wie viel davon ins Netz gelangt, darüber entscheiden ausgerechnet die Unternehmen, die als Netzbetreiber ein genuines Interesse am Vorrang der Stromproduktion aus denjenigen Großkraftwerken haben, die ihnen sowieso gehören.
Daniel Seemann
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