Für das Jahr 2010 rechnet die EWEA mit einer zusätzlich installierten Leistung von 1.000 Megawatt durch neue Offshore-Windräder an europäischen Küsten. Ein Blick auf die Europakarte lässt vermuten, dass Frankreich daran beteiligt sein müsste. Doch das Land mit einer Küstenlänge von 3.427 Kilometern ist auf die See bezogen noch windkraftlos.
Das vorhandene Potential wurde dieses Jahr wohl doch von der französischen Regierung erkannt: Im Frühling kündigte sie an, mittelfristig Offshore-Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 3.000 Megawatt errichten zu lassen. Mit der Planung wird dem nationalen Umweltprogramm „Grenelle Environnement“ nachgekommen, welches bis 2020 unter anderem einen Ausbau der Offshore-Windenergie auf 6.000 Megawatt festlegt. Zudem bezieht sich das Vorhaben auf Ziele des europäischen Energie-Klima-Pakets. Für September waren die ersten Ausschreibungen hinsichtlich Kosten, Know-how und Infrastruktur angesetzt.
Bei diesem Plan ist es geblieben. Denn die angekündigte Vergabe der Aufträge fand bisher nicht statt. Auch die Karte mit den zehn autorisierten Gebieten für die geplanten Windräder ist noch nicht veröffentlicht worden. Nur zwei Regionen, Côte d’Albâtre und Deux-Côtes, wurden ausgelegt. Verantwortlich für die Verzögerung ist sicherlich die am 14. November 2010 vollzogene Neugestaltung der Ministerposten. Denn seitdem ist das Wirtschaftsministerium für den Bereich der Energie zuständig. Zuvor waren die Abteilungen Umwelt, Energie und Transport einem Minister unterstellt, was das Wirtschaftsressort veranlasste, verstärkt mit dem Umweltressort zusammenzuarbeiten. Der Wirtschaftsminister befürchtet, dass die französische Industrie noch nicht reif für die Offshore-Windkraft sei und vor allem die ausländischen Firmen profitieren würden. Es gibt Grund zur Annahme, dass die geplante Offshore Leistung auf 2.000 Megawatt gedrosselt wird.
Eine vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie der Prüfungsgesellschaft PwC mahnt dagegen zur Umsetzung der ursprünglichen Pläne. Dem Bericht nach könne Frankreich im Offshore-Windmarkt eine führende Rolle einnehmen, müsse seine Pläne aber schneller umsetzen. Es wird auch klar gestellt, dass Frankreich noch nicht die nötige Fertigungsindustrie für Windräder auf See besitzt. Aus diesem Grund müsse die Politik jetzt die Weichen für Innovationen stellen. Schon heute können Teile wie Fundament und Mast konstruiert werden. In vier bis fünf Jahren sei die Produktion bereit für schwieriger zu entwickelnde Elemente wie die Rotoren und die Installation der Anlage. Der Vorteil der guten Hafeninfrastruktur sollte indes genutzt werden, um verschiedene Elemente der Anlage vor dem Export zusammenzusetzen. Wird bei den wichtigsten industriellen Sektoren angesetzt, könne Frankreich ab 2015 am Export teilnehmen.
Großbritannien hat einen starken Offshore Binnenmarkt, Deutschland punktet durch seine Erfahrungen im Onshore-Bereich und die europäische Nachfrage. Hier muss Frankreich durch Innovationen sein eigenes Modell finden.
Bis die Regierung die Chance erkennt und annimmt, sitzen die industriellen Akteure und Kommunen allerdings noch in der Warteschleife.
Jenny Lohse
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