Bisher waren es nur Ermahnungen – jetzt gibt es Konsequenzen. Die EU-Kommission verklagt Deutschland und fünf weitere Länder wegen zu schlechter Luft vor dem EuGH. EU-Umweltkommissar Karmenu Vella begründet die EU-Klage damit, dass die Länder es versäumt hätten, sich für die Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide einzusetzen. „Unser Ziel ist es, die Bürgerinnen und Bürger zu schützen.“
Chronologie der Klage
Seit 2010 gelten für alle EU-Staaten verbindliche Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide. Doch auch weiterhin wurden diese Grenzwerte immer wieder überschritten. Aus diesem Grund wurde bereits 2015 das erste Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, wegen Verstößen gegen geltendes EU-Recht. 2016 folgt das zweite Verfahren. Der Bundesregierung werden massive Versäumnisse vorgeworfen, weil sie beispielsweise die Automobilhersteller nicht ausreichend auf die Einhaltung von Vorschriften überprüft hatte. Ein weiteres Versäumnis ist, dass VW für die Manipulation der Schafstoffwerte bisher ohne Strafe davonkam.
2017 haben immer noch 66 deutsche Städte die vorgegebenen Grenzwerte überschritten, vor allem in München, Stuttgart und Köln. Als Reaktion darauf startete die Bundesregierung das „Sofortprogramm für saubere Luft“. Im August dann der Diesel-Gipfel: die Autoindustrie versprach Softwareupdates für Dieselautos. Dennoch konnten die Grenzwerte nicht eingehalten werden. Im Januar hatten wir noch einmal die Chance unsere Maßnahmen zur Einhaltung der Werte vorzustellen. Anscheinend haben diese nicht überzeugt. Denn jetzt folgt auf das Vertragsverletzungsverfahren die Klage vor dem EuGH.
Was bedeutet die EU-Klage?
Die Klage geht gegen die Missachtung von Vorgaben der EU zu Typengenehmigungen von Fahrzeugen. Nach EU-Recht müssten die EU-Staaten „über wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionssysteme verfügen, um Autohersteller davon abzuhalten, gegen geltendes Recht zu verstoßen“. In den Augen der Kommission wird dieses Kriterium von Deutschland und der fünf anderen Länder nicht erfüllt.
400.000 vorzeitige Todesfälle führt die Kommission auf schädliche Abgase in der Luft zurück. Großer Faktor: Dieselautos. Ihre Anzahl stieg jahrelang an, da sie ursprünglich als eher Umweltfreundlich galten. Bis zum Diesel-Gate. Doch die Klage steht. Gewinnt die EU-Kommission vor de EuGH, drohen Deutschland in einem weiteren Verfahren hohe Zwangsgelder. Jedoch wird der Druck auch jetzt schon immer größer, endlich etwas Wirksames gegen die hohen Abgaswerte zu unternehmen. Kurzfristig sehen Verkehrsexperten nur die Nachrüstung der Autos oder tatsächliche Fahrverbote in den Städten.
Das sagt die Politik in Deutschland
Verkehrsminister Andreas Scheuer kann die Klage nicht nachvollziehen. „Kein anderer Mitgliedsstaat hat so umfassende und strenge Maßnahmen ergriffen wie Deutschland.“
BUND-Vorsitzender Hubert Weiger steht dem anders gegenüber. „Die Klage der EU-Kommission zeigt klar, dass die bislang von der Bundesregierung angekündigten Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen, unsere Luft in absehbarer Zeit sauberer zu machen und die Grenzwerte der Luftbelastung mit Stickstoffoxiden (NO2) einzuhalten.“
Bundesumweltministerin sieht nun die Automobilbranche in der Pflicht.
„Wenn wir vor Gericht bestehen wollen, brauchen wir größere und schnellere Fortschritte, um die Luft sauber zu bekommen. […] Ich fordere schon lange technische Nachrüstungen für Diesel-Pkw. Wir brauchen sie jetzt so schnell wie möglich, und zwar auf Kosten der Automobilhersteller. Denn die haben das Problem verursacht. Wer sich weiter diesem Weg versperrt, riskiert nicht nur Fahrverbote und weitere Wertverluste bei den Dieselautos, sondern auch eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof.“
Quellen: Tagesschau, WirtschaftsWoche, BMU, BUND