In diesen Tagen scheint es manchmal, als hätte jemand an der Uhr gedreht: Schon 1997 hatte eine schwarz-gelbe Koalition das Stromeinspeisungsgesetz – den Vorläufer des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) – zur Förderung des dezentralen Ausbaus der Erneuerbaren in seiner Wirkung begrenzt. Die Neuauflage desselben Regierungsbündnisses schlägt nun in dieselbe Kerbe.
Klientelpolitik statt Volkswirtschaft
Dumm nur, dass sich die erneuerbaren Energien mittlerweile zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt haben. Doch anstatt die Volkswirtschaft insgesamt an den Früchten dieser Entwicklung teilhaben zu lassen,
setzt die Koalition alles daran, bei den Erneuerbaren wenige große Konzerne und – bei der Biomasse – die Agrarlobby davon profitieren zu lassen. Das Energiekonzept der Bundesregierung mutet daher eher als „Konterrevolution“ an, so jedenfalls Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen.
Nach den Plänen der Bundesregierung soll der Ausbau der Windkraft vor allem Offshore bis 2030 auf 25 Gigawatt erfolgen, eine Aufgabe, die nur große Unternehmen stemmen können. Auch beim Ausbau der Biomasse wird in großen Maßstäben geplant.
Nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) deckt Biomasse zurzeit sieben Prozent des Primärenergiebedarfs in Deutschland. „18 Prozent der heimischen Ackerfläche oder rund 2,15 Millionen Hektar dienen der Erzeugung von pflanzlichen Rohstoffen für Energieerzeugung und Industrie“, schreibt die FNR auf ihrer Internetseite.
Schleppender Ausbau der Stromnetze
Die Kehrseite der Medaille: Riesige Maismonokulturen bedecken immer größere Agrarflächen in Deutschland: 530.000 Hektar waren es nach dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung im letzten Jahr, 900.000 Hektar sollen es 2020 sein.
Auch beim Thema Stromnetzausbau ist von einem „Unbundling“, also einer Trennung von Netz und Betreiber, im Energiekonzept keine Rede mehr. Die Bundesregierung will bis 2011 ein Konzept für ein „Zielnetz 2050“ entwickeln. Die konkrete Ausgestaltung soll über einen zehnjährigen Netzausbauplan geregelt werden.
Falls es im Stromnetz zu Überkapazitäten kommt, können Netzbetreiber die Kosten für die Schadensersatzvergütung für Betreiber von regenerativen Anlagen, die wegen mangelndem Netzausbau ihren Strom nicht einspeisen konnten, bisher auf Kosten der Stromkunden bezahlen. Auch dieser Punkt wird zukünftig nicht angetastet. Die Kosten für den nur schleppenden Um- und Ausbau der Stromnetze zahlt also weiterhin der Verbraucher.
Priorität beim Netzbau hat bei der Bundesregierung übrigens eine neue Nord-Süd-Trasse. Der Hintergrund verwundert nicht: Ohne eine solche Stromschnellstraße durch Deutschland wären die Investitionen der großen Stromkonzern in die Offshore-Windparks nämlich völlig sinnlos.
Daniel Seemann
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