Die deutsche Netzlandschaft ist im Umbruch, das Stromnetz steht vor neuen Herausforderungen. Derzeit wird Strom überwiegend dort erzeugt, wo er auch verbraucht wird. Also vermehrt in den Ballungsräumen im Süden des Landes oder rund um das Ruhrgebiet. Zuständig für die Stromversorgung: fossile Energieträger wie Kohle- oder Kernkraftwerke.
Mit der Energiewende und dem Ausbau erneuerbarer Energien, die in Zukunft die Atomenergie ersetzen und den Anteil an Kohle- und Gaskraftwerke deutlich senken sollen, wird nun jedoch auch dort vermehrt Strom produziert, wo er in diesen Mengen nicht benötigt wird. So muss der Windstrom aus dem windreichen Norden des Landes in die Ballungsräume in Mittel- und Süddeutschland transportiert werden.
Netzausbau ist nötig
Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet schnell voran. So schnell, dass der Netzausbau nicht mithalten kann. Die Stromnetze sind nicht auf den Transport dieser enormen Energiemengen ausgelegt, sodass Windräder trotz kräftigen Windes nicht selten abgestellt werden müssen, weil die Energie einfach nicht abtransportiert werden kann. Um dieser Problematik zu begegnen wird seit geraumer Zeit der Netzausbau rege forciert. Allerdings stößt dieser nicht auf den Erfolg, den sich die Befürworter hierfür wünschen, um die Energieziele, unter andrem den Atomausstieg bis 2022, einhalten zu können. Immerhin sind die Netzbetreiber gesetzlich zum Ausbau ihrer Leitungen verpflichtet und auch willig, diese auszubauen.
Fehlende Akzeptanz
Kritisch wird es in Bezug auf das „Wie“, denn das Gesetzt besagt nur, dass „unverzüglich“ und „möglichst kosteneffizient“ ausgebaut werden muss. Genau hier beginnt die Problematik. Die Netzbetreiber sind dazu bereit auszubauen, zwar müssen sie die Investitionen zunächst aus eigener Tasche tätigen, können sich die Kosten aber über die Stromrechnung später vom Verbraucher wiederholen.
„Günstig“ und „unverzüglich“ ginge es mit dem Bau von Freileitungen, diese scheitern allerdings vielerorts an den Bürgerprotesten. Die betroffenen Anwohner möchten die Umwelt- und Gesundheitsschäden nicht in Kauf nehmen und fordern den Ausbau des Stromnetzes via Erdkabel. Eine verzwickte Situation, denn diese Lösung würde rund das Doppelte einer Freilandleitung kosten. Eigentlich dürfte es den Netzbetreibern relativ egal sein, schließlich können sie die Kosten ja später auf die Verbraucher umlegen. Wäre da nicht die Bundesnetzagentur, die sich als „Verbraucheranwalt“ sieht und dafür sorgen möchte, dass die Mehrkosten für den Stromkunden so gering wie möglich ausfallen. Hierin sieht wiederum der Netzbetreiber ein Problem, denn der möchte gewährleistet sehen, dass nicht er letztendlich auf den Kosten sitzenbleibt.
Der Plan Altmaier
Die vermeintliche Lösung soll jetzt die etwas unkonventionelle Idee des Umweltbundesministers bringen – mit der er außerdem gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen will: Bürgerakzeptanz und liquide Mittel für den Netzausbau. Mit Bürgernetzen analog zu Bürgerwindparks wurde in der Vergangenheit schon öfter geliebäugelt, allerdings ohne die dringend notwendige Unterstützung von politischer Seite.
Jetzt meldet sich Bundesumweltminister Altmaier zu Wort und präsentiert seine Wunderwaffe für die Einhaltung der Netzausbaupläne: Bürgerbeteiligungen. Den vom Netzausbau direkt betroffenen Anwohnern, und auch der Allgemeinheit, soll die Möglichkeit gegeben werden, von der neuen Stromtrasse zu profitieren – finanziell versteht sich. Das würde zumindest die Tränen der Bürger beim öffnen der Stromrechnung ein wenig trocknen. Allerdings muss vorher investiert werden.
Die kleinste „Netzausbauaktie“ soll nach Altmaiers Plan schon für 500 Euro, und damit wohl für die meisten erschwinglich, zu haben sein. Mit einer garantierten Rendite von fünf Prozent gibt es dann auch noch deutlich mehr Rendite, als auf dem gewöhnlichen Sparbuch. Außerdem will Altmaier damit nicht nur die Akzeptanz der Bürger schüren, sondern gleichzeitig auch die Fremdkapitalpflicht der Netzbetreiber beim Ausbau der Infrastruktur befriedigen. Altmaier liebäugelt damit, gut 15 Prozent des Gesamtkapitals, also etwa fünf Milliarden Euro, in Form von Bürgerbeteiligungen finanzieren zu lassen.
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