Die Bundesregierung stellt ein Gutachten zum Energiekonzept vor und leitet daraus die Notwendigkeit längerer Atomlaufzeiten ab. Diese Frage hat das Gutachten jedoch gar nicht untersucht.
Am 30. August haben Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftminister Rainer Brüderle (FDP) die lang erwarteten Energieszenarien vorgestellt, auf deren Grundlage die politischen Weichen für eine „saubere, zuverlässige und bezahlbare“ Energieversorgung bis 2050 gestellt werden sollen. Davon hängt auch die kontrovers diskutierte Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ab.
Das von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Gutachten „Energieszenarien für ein Energiekonzept der Bundesregierung“ kalkuliert neun Szenarien, die unterschiedliche Laufzeitverlängerungen berücksichtigen. Zu beachten ist allerdings, dass die Szenarien von der Bundesregierung vorgegeben werden und ein entscheidendes Szenario nicht berücksichtigt wurde.
Neben dem Referenzszenario, in dem keine zusätzlichen politischen Maßnahmen, zum Beispiel zur Förderung der Energieeffizienz oder erneuerbarer Energien, vorgenommen werden, gibt es kein Szenario ohne längere Atomlaufzeiten. Diese variieren zwischen vier und 28 Jahren, während im Referenzszenario der von der rot-grünen Bundesregierung beschlossene Atomausstieg bis 2022 unangetastet bleibt.
Im Gutachten schneidet das Referenzszenario naturgemäß schlecht ab. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass das Szenario davon ausgeht, dass bis 2050 keine umwelt- und energiepolitischen Verbesserungen mehr vorgenommen werden. Die anderen Szenarien mit Atomlaufzeitverlängerung rechnen hingegen mit einer verstärkten Förderung der erneuerbaren Energien und mit einer Steigerung der Energieeffizienz. Entsprechend werden die Klimaschutzziele einer 85-prozentigen Verringerung bis 2050, auch erreicht.
Wer aus diesem Gutachten jedoch schließen will, dass eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke richtig und für Klimaschutz und Energiesicherheit unabdingbar sei, der liegt eindeutig falsch. Das Referenzszenario (ohne Laufzeitverlängerung) lässt sich nicht mit den anderen Szenarien (mit Laufzeitverlängerung) vergleichen. Beispielsweise wird im Referenzszenario mit einer Steigerung der Energieeffizienz um jährlich 1,7 bis 1,9 Prozent kalkuliert. In den anderen Szenarien mit 2,3 bis 2,5 Prozent.
Damit das Gutachten eine Entscheidungsgrundlage für oder gegen längere Laufzeiten von Atomkraftwerken sein kann, müsste es ein zehntes Szenario geben, in dem es keine Laufzeitverlängerungen, sonst aber alle Innovationen wie in den anderen Szenarien gibt. Dies ist aber offenbar politisch nicht erwünscht.
Oliver Hölzinger
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