Meistens denkt man bei dem Begriff „Selbstversorgung“ doch eher an ländliche Weite, urige Bauernhöfe, viele Tiere und eine ganze Menge Arbeit. Dabei gibt es richtig viel, was man auch in einer kleinen Stadtwohnung, auf dem Balkon oder mitten auf den städtischen Grünflächen machen kann.
Die Frage ist: wie viel kann man selbst für das beitragen, was man alltäglich braucht – wenn man in einer kleinen Stadtwohnung lebt? Die kurze Antwort ist: eine ganze Menge. Und weil das viel Freude macht und das meiste davon gar nicht so schwer ist, hier eine Übersicht über die wichtigsten Möglichkeiten:
Teil I: OBST, GEMÜSE, PILZE & KRÄUTER
… im Wohnzimmer
Mediterranes auf dem Fenstersims
Jungpflanzen im Haus vorzuziehen ist nichts ungewöhnliches. Es ist aber auch möglich, manche Pflanzen ganz im Haus anzubauen – wenn auch etwas aufwendiger und mitunter nicht ganz so ertragreich. Neben Kräutern eignen sich Paprika und Tomaten gut dafür, denn die mögen es sowieso am liebsten warm. Wichtig ist dabei, dass die Pflanzen möglichst viel Licht abbekommen. Und sie müssen, mangels Insekten, von Hand bestäubt werden.
Vertikale FensterGärten
Fenstergärten sind mehrstöckige Hängesysteme, die am Fenster befestigt werden. Diese kann man sich mit einfachen Mitteln – üblicherweise aus PET-Flaschen oder Getränkekartons selber bauen. Dabei werden die Gefäße übereinander gehängt und zum Beispiel mit Salat oder Kräutern bepflanzt. Bei etwas aufwendigeren Systemen ergibt sich mit Hilfe einer Pumpe und eines Reservoirs ein Kreislauf, bei dem das Wasser aus der obersten Etage durch alle weiteren Etagen hindurch sickert, sodass der Pflege-Aufwand möglichst gering ist. Platzaufwand und Lichtausbeute sind bei diesen Gärten genial optimiert. Wie so ein Fenstergarten aussehen kann, zeigt zum Beispiel der Fernsehsender Arte in einem kurzen Beitrag.
Pilze aus der Pilzbox
Frische Champignons aus eigenem Anbau – wer dachte, dass das nur wenigen glücklichen mit viel Platz vergönnt ist, der hat sich geirrt. Denn eigene Pilze im Haus (oder Balkon, Stadtgarten etc.) anzubauen, ist einfacher als gedacht. Alles, was man dazu braucht ist eine Grundlage (Holz, Stroh, oder auch ein passender Behälter plus Erde), Pilzbrut, Wasser, Geduld – und eine gute Anleitung. Besonders einfach funktioniert die Pilzzucht mit speziellen Pilzboxen, die es in vielen Gartencentern oder auch online zu kaufen gibt. Inzwischen gibt es bereits einige Anbieter von solchen Pilzboxen – eine kurze Online-Suche lohnt sich!
Der Klassiker: Gartenkresse
Sicher kennen viele die berühmte Gartenkresse aus der Kindheit oder von Experimenten in der Schule. Sie ist besonders einfach anzubauen und wächst selbst auf Watte und Papier – oder natürlich in der Erde. Ein heller Platz reicht ihr, um prächtig zu wachsen. Auch auf dem Balkon oder im Garten kann Gartenkresse angebaut werden. Da sie schnell wächst, eignet sie sich auch als Mulch fürs Beet, den Balkonkasten oder die Pflanztöpfe und kann als Zwischensaat gesät werden, um den Platz optimal auszunutzen.
Und noch mehr Kresse…
Sprossen beziehungsweise Sämlinge, bei denen nur die Pflanzenteile oberhalb des Samenkorns verzehrt werden, werden als „Kresse“ bezeichnet. Neben Gartenkresse lassen sich auch viele andere Pflanzen in kresseähnlicher Weise ziehen. Unter anderem sind Senf, Rettich und Radieschen, diverse Kohlsorten und viele Blattsalate dafür geeignet.
Die würzige Welt der Sprossen
Wenn ein Samen keimt und dabei der erste Ansatz einer Pflanze (also ein Sämling) entsteht, wird dieser auch „Sprosse“ genannt. Mit Ausnahme der Nachtschattengewächse sind fast alle Sämlinge von Nahrungspflanzen verzehrbar, wie etwa von Weizen, Rotkohl, Senf und vielen mehr. Keimsprossen werden (im Gegensatz zu Kresse) gewöhnlich komplett verzehrt. Ein Samen kann also sowohl zu Kresse als auch zur Sprosse werden – abhängig davon, welcher Teil später verzehrt wird. Sprossen werden (im Gegensatz zur Kresse) ohne Erde, Watte oder ähnliches gezogen, sondern in Glas- oder Plastikgefäßen. Darin müssen sie mehrmals am Tag gewässert werden. Alles, was sie zum Wachsen brauchen, nehmen sie aus dem Samenkorn, dem Wasser und dem Licht.
Die meisten Sprossen können roh gegessen werden – Ausnahmen sind manche Hülsenfruchtsprossen wie Gartenbohne, Kichererbse und Gartenerbse – diese sollten mindestens blanchiert oder kurz angebraten werden. Sie können zum Beispiel unter Salate gemischt oder in Butterbroten und Sandwiches verarbeitet werden. Ihr ganz großer Vorzug liegt – neben der einfachen Anbauweise – in ihrem vielfältigen Geschmack, von mild und nussig bis zu pikant-scharf.
… auf dem Balkon
Auf dem Balkon gibt es im Grunde fast alle Möglichkeiten, die es in einem „normalen“ Garten auch gibt. Was man jedoch braucht, sind die richtigen Anbaugefäße. Dabei darf man ruhig kreativ werden: alles was genug Platz für die Pflanzen bietet, dem Feuchtigkeit nichts anhaben kann und was keine gefährlichen Inhaltsstoffe beinhaltet, die abgegeben werden könnten, ist denkbar. Wichtig ist außerdem, dass das Gefäß Löcher hat (oder man ihm welche geben kann) und sich das Wasser (insbesondere das Regenwasser) nicht im Gefäß staut. Möchte man die Pflanzen darin auch bei Frost draußen haben, sollte das Gefäß natürlich ebenfalls Minustemperaturen stand halten.
So lassen sich auf dem Balkon dann Kräuter anbauen, Tomaten, Gurken, Zucchini, … – selbst Kartoffeln können unkompliziert angebaut werden. Da sie nicht viel Licht brauchen, können sie die schattigen Plätze ausfüllen, an denen andere Pflanzen nicht so gern wachsen. Und das z.B. in Kartoffeltürmen oder direkt im Gartenerdesack.
… im Gemeinschaftsgarten
Gemeinschaftsgärten sprießen in den letzten Jahren regelrecht wie Pilze aus dem Boden. Unter Gemeinschaftsgärten versteht man kollektiv betriebene Gärten – jedoch mit verschiedensten Organisationsstrukturen. Die Grundstücke befinden sich meistens in der Stadt. Oft sind die Gärten öffentlich zugänglich. Der rechtliche Status ist unterschiedlich. Es kann sich um Besetzungen handeln, aber auch um Privatgrundstücke oder öffentliche Gelände. Die Initiatoren und Träger der Gemeinschaftsgärten können ebenfalls sehr verschieden sein: Nachbarn, politische Gruppen, Kirchen, Schulen und Guerilla-Gärtner.
Die Gemeinschaftsgärten entstanden zum einen aus dem Bedürfnis nach der Produktion eigener gesunder Lebensmittel (insbesondere in den Großstädten), aber auch mit dem Ziel des Austausches untereinander.
Im Rahmen der Transition Town Bewegungen (http://www.transition-initiativen.de/) entstehen etwa immer wieder Gemeinschaftsgärten – einen Überblick über Gemeinschaftsgärten in Deutschland gibt es auf anstiftung.de
… essbare Städte
Man stelle sich mal vor, man läuft durch die Stadt und überall stehen statt öden, grünen Hecken Beerensträucher. Statt Ziersträuchern stehen dort Apfel-, Birn- und Kirschbäume. Überall findet man kleine Gemüse-Beete. Daneben stehen Schilder: „Pflücken und Ernten ist ausdrücklich erwünscht. Was hier wächst gehört allen – jeder darf sich mitnehmen, was ihm gefällt.“
In „essbaren Städten“ darf tatsächlich jeder ernten. Fast vierzig Städte in Deutschland sind bereits „essbar“ – wie eine Übersicht der essbaren Stadt Minden zeigt. Und hoffentlich werden es immer mehr!
… Wildpflanzen
Das ganze Jahr über gibt es vielfältige Wildpflanzen zu sammeln – auch in der Stadt! Neben den Klassikern wie Löwenzahn; Brennnesseln und Gänseblümchen finden sich dort Bärlauch, Taubnessel, Labkraut, Vogelmiere, Hagebutte, Eibe oder das unbeliebte, aber leckere „Unkraut“ Giersch. Was es den Herbst und Winter über zu sammeln gibt, ist Teil eines nächsten Beitrags dieser Samstagsserie!
Zur Schadstoffbelastung in Städten:
Eine Studie der TU Berlin kam zu dem Ergebnis, dass bei innerstädtischem Anbau und Wildsammlung durchaus Vorsicht geboten ist, da es zu einer hohen Schwermetallbelastung kommen kann. Durch entsprechenden Abstand vom Kfz-Verkehr beziehungsweise durch eine Hecke, Mauer oder ähnliches als Schutzwall, könne man diese Belastung jedoch ausreichend verringern.
An dieser Stelle sei jedoch auch angemerkt, dass konventionelle Lebensmittel auch nicht immer in ländlicher Idylle, sondern teilweise am Rand von Autobahnen und Schnellstraßen angebaut werden und zudem mit Pestiziden belastet sind. Da man das den Lebensmitteln jedoch nicht ansieht, lohnt es sich allemal, selbst anzubauen – und auf die entsprechenden Bedingungen zu achten, die man sich für seine Nahrung wünscht.
Na, Lust bekommen, selbst zu gärtnern und zu sammeln?
Oder weitere Ideen für mehr Selbstversorgung in der Stadt? Dann gerne ab damit in die Kommentare!
In weiteren Teilen dieser Serie geht es darum, die eigene Ernte haltbar zu machen, um selbst gemachte Naturmedizin und Kosmetik, DIY, Recycling, Upcycling und vieles mehr, was auch in einer kleinen Stadtwohnung möglich ist.
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Das Projekt „StadtSelbstversorger“ hat sich übrigens der Selbstversorgung in der Stadt verschrieben. Mehr Infos sowie Links und Artikel gibt es auf der StadtSelbstversorger-Facebookseite.
Erfahre mehr über die Möglichkeiten und die Philosophie der Selbstversorgung und nachhaltigen Landwirtschaft.
Ab sofort immer samstags auf cleanenergy-project.de.
Mehr von der freien Autorin Nadine Wahl auf: www.nadinecarolin.com
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