Natürlich kann es sein, dass jemand in den nächsten Jahren einen ausreichenden Ersatz für fossile Brennstoffe findet. Einen oder mehrere Stoffe, die für uns die vielfältigen Aufgaben erfüllen, die Erdöl seit einigen Jahrzehnten schon abdeckt; Treibstoff, Kunststoff, Medikamente, Dünger, Industriewärme – und vieles mehr. Oder, dass wie bisher immer weitere Ölvorkommen gefunden, immer tiefere angebohrt werden können.
Ja, das kann schon sein.
Doch aus heutiger Sicht ist ein Ersatz nicht einmal entfernt absehbar. Stattdessen werden wir nur immer noch abhängiger vom schwarzen Gold. Und damit von einer endlichen Ressource, die zudem oft aus Krisengebieten stammt und das Potenzial hat, das Klima der Erde unvorhersehbar zu verändern.
Man muss sich nur einmal umsehen, und versuchen etwas zu finden, was nicht
a) ganz oder teilweise aus Erdöl hergestellt,
b) mit Hilfe von Erdöl verarbeitet und / oder
c) mit fossilen Energien zu uns transportiert wurde.
Da fällt einem dann der Laptop aus Plastik und Elektronik auf, der womöglich schon mehr von der Welt gesehen hat, als man selbst. Immerhin läuft er mit Ökostrom – für den jedoch die Mitarbeiter des Energieanbieters und der Kraftwerke wahrscheinlich auch nicht alle mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen.
Daneben steht die Porzellan-Tasse mit dem Fairtrade-Kaffee und der Bio-Sahne. Hier steckt der Großteil an fossiler Energie sicherlich im Transport von Tasse und Kaffee. Aber auch in die Herstellung der Tasse, in das Melken der Milch und in die Gewinnung der Sahne wurde Energie und damit letztlich auch Öl gesteckt.
Und so geht es grade weiter: Möbel, Fußboden, Wandfarbe, Kleidung,… selbst im regionalen, saisonalen Bio-Obst und -Gemüse vom Bauern und Gärtner um die Ecke steckt zumindest ein Teil fossiler Energie – vor allem für die Traktoren und anderen Maschinen.
Kurz gesagt: so wie es im Moment aussieht, säßen wir ohne fossile Energien mit ziemlich viel Muskelkater, mit leeren Mägen und die meisten noch dazu frierend da.
Kein Fernseher, kein Smartphone, kein PC, kein Kühlschrank. Kein fort kommen.
Und das, weil unsere moderne, recht luxuriöse Welt auf einem einzigen, endlichen Rohstoff aufgebaut wurde.
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In den letzten Jahren haben alternative Lebensweisen einen kleinen Boom erlebt. Teil-Selbstversorgung, Urban und Guerilla Gardening, die Transition Town Bewegung, Bio, Fair Trade, die Share Economy und so weiter.
Das ist gut so.
Denn wir haben es ja in der Hand, wie wir unsere Zukunft gestalten. Wie energieintensiv unser Leben sein soll. Von woher unsere Lebensmittel stammen – und wie sie angebaut werden.
In diesen alternativen Lebens- und Wirtschaftsweisen liegt ein riesiges Potenzial für eine lebenswerte Zukunft.
Und ein Bereich, der besonders viele unserer Herausforderungen unterstützen kann und in dem es noch unendliche Möglichkeiten gibt, ist die Teil-Selbstversorgung.
Selbstversorgung verbindet uns mit der Welt um uns herum. Mit unserem Konsum. Zeigt uns Zusammenhänge, Probleme, Lösungen. Gibt uns Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Und Unabhängigkeit von fossilen Energien, großen Konzernen und unüberschaubaren Lieferketten.
Selbstversorgung bringt die Befriedigung der Grundbedürfnisse wieder zurück in die Hände der Menschen. Abhängigkeiten gehen zurück. Der Energieverbrauch sinkt.
Manchmal könnte man ja meinen, wir hätten schon ewig so gelebt wie jetzt. Dabei ist die tatsächliche Zeitspanne verschwindend klein. Noch zwei Generationen zuvor war Selbstversorgung selbstverständlich.
Wer sich etwas mehr „selbst versorgt“, stellt sich plötzlich Fragen wie…
was braucht der Mensch zum Leben?
Worauf kann ich oder möchte ich verzichten?
Will ich wirklich Chemikalien auf meinem Gemüse, die ich nicht mal mit nackten Händen anfassen würde?
Kann man dies und das noch reparieren – anstatt es neu zu kaufen?
Wer hilft mir dabei?
Und wem kann ich helfen?
Es gibt immer mehr Neu-Gärtner und Neu-Selbstversorger, die freudestrahlend von ihren ersten eigenen Tomaten und Zucchini erzählen. Von der selbst gemachten Kosmetik. Und der selbst gerührten Salbe. Vom großen Glück, selbst etwas wirklich wichtiges erschaffen zu haben – und ein bisschen mehr für sich selbst sorgen zu können.
Noch ist es einfach nur „in“ und „grün“, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Es macht Freude, die eigenen Tomaten wachsen zu sehen, sie in den Händen zu halten, den wunderbaren Tomatenduft in die Nase aufzusaugen und schließlich genüsslich rein zu beißen.
Aber angenommen, wir finden wirklich keinen Ersatz für Erdöl.
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Dann wird aus diesem Spaß früher oder später notwendiger Ernst. Aus einigen Quellen heißt es bereits, „Peak Oil“ sei längst überschritten. Zweifler weisen darauf hin, dass es inzwischen seit über dreißig Jahren hieße, das Öl ginge in 40 Jahren aus. Und: natürlich, es werden immer schwierigere Vorkommen angebohrt. Gerade dadurch kann es zu Unglücken wie dem der „Deepwater Horizon“ kommen. Und natürlich, das schenkt uns ein wenig Zeit. Aber ewig werden wir so nicht weiter machen können.
Denn früher oder später brauchen wir diese Alternativen.
Doch die zu etablieren benötigt erst einmal Zeit, Geld und – Energie. Fossile Energie.
Wir könnten abwarten. Hoffen. Und die Nachrichten verfolgen.
Aber wir können auch eine postfossile Zukunft – jetzt – in die Hände nehmen.
Alternativen suchen. Uns Gedanken darüber machen, was wirklich für ein gutes, zufriedenes Leben nötig ist – und was nicht.
Regionalen Handel gestalten.
Teil-Selbstversorgung sowohl aufs Land als auch in die Städte bringen.
Essbare, mehrjährige Landschaften erschaffen.
Und vieles mehr.
Denn wir erleben im Moment eine einmalige Chance. Die große Chance der fossilen Rohstoffe.
Mit den fossilen Energien können wir Strukturen aufbauen, die dann mit wenig Energie auskommen und uns auf einfache, regionale Weise versorgen und ernähren. Anstatt im Taumel des Überflusses den wertvollen Stoff in die Luft zu blasen. Denn sonst stehen wir am Ende wieder da, wie vor dem Boom. Nur, dass die Gelegenheit dann einfach vorüber ist.
Ich denke, es lohnt sich, diese Chance zu nutzen.
Bist Du dabei?
Erfahre mehr über die Möglichkeiten und die Philosophie der Selbstversorgung und nachhaltigen Landwirtschaft.
Ab sofort immer samstags auf cleanenergy-project.de.
Mehr von der freien Autorin Nadine Wahl finden Sie hier: www.nadinecarolin.com
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