Die Mur, ein Fluss im Süd-Osten Österreichs, fließt durch die Stadt Graz. Der Energiedienstleister „Energie Steiermark AG„ plant, gemeinsam mit dem „Verbund“ (Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG), die Errichtung fünf neuer Wasserkraftwerke auf einer Strecke von 30 Kilometern. Zwei der geplanten Staustufen liegen im Norden der Stadt, zwei im Süden und eine innerhalb des Stadtgebietes.
Rund 255.000 Menschen wohnen in Graz und verfolgen gespannt die Entwicklungen der letzten Monate. Zahlreiche Anrainer außerhalb der Stadtgrenzen sind ebenso von den geplanten Kraftwerksbauten betroffen. Nach und nach werden die Unterlagen zu den Kraftwerken für die Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht. Seitens der Kraftwerksbauer zeigt man sich optimistisch, dass alle fünf Projekte genehmigt werden.
Bereits 2010 soll der Bau des ersten Kraftwerks starten. Das gesamte Investitionsvolumen wird rund 345 Millionen Euro betragen. Sind alle Wasserkraftwerke voll in Betrieb, so soll die gewonnene elektrische Energie ausreichen, um zirka 95.000 Haushalte mit heimischem Strom zu versorgen. Gegenüber der Verwendung fossiler Brennstoffe ergibt sich ein errechnetes Einsparungspotential von rund 225.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr.
Die Mur teilt die Stadt Graz in zwei Hälften. Ähnlich gespalten ist auch die Meinung der Bevölkerung zu diesem Projekt. Der Bruch geht quer durch alle Parteien und Bevölkerungsschichten. Während sich auf der einen Seite überparteiliche Zusammenschlüsse für die Errichtung der Kraftwerke bilden, formieren sich gleichzeitig auch deren Gegner. Sie befürchten den Verlust wertvoller Auenlandschaften. Ebenso beeinflussen zusätzliche Kraftwerke entlang der Mur den natürlichen Verlauf des Flusses noch stärker als bisher. Kanuclubs steigen gemeinsam mit Fischereiverbänden auf die Barrikaden. Darüber hinaus wird eine Verschlechterung der Luftqualität im Grazer Stadtgebiet befürchtet. Das fließende Gewässer fördert den Luftaustausch in der Stadt, die laufend mit Feinstaubproblemen kämpft.
Gleichzeitig wies der Umweltsenat Einsprüche von Umweltschutzorganisationen gegen zwei der fünf Kraftwerksprojekte ab. Einer der Gründe hierfür war vermutlich, dass bei keinem der bisher in Österreich errichteten Wasserkraftwerke so umfangreiche ökologische Ausgleichsmaßnahmen eingeplant wurden. Im konkreten Fall sind bei diesen zwei Staustufen gemeinsam 20 Millionen Euro für Fischaufstiegshilfen und andere Maßnahmen zum Umweltschutz vorgesehen. Weiters ist von einer Kostenbeteiligung der Energie Steiermark bei mehreren Begleitprojekten die Rede.
Auch in München gibt es mehrere Wasserkraftwerke. Im Zuge des Isar-Plans wird der Fluss dort um rund 28 Millionen Euro bis ins Jahr 2010 naturnah umgestaltet. Durch den Bau der Wasserkraftwerke in und um Graz könnten sich, zusammen mit den entsprechenden Ausgleichsmaßnahmen, neue Chancen für die Bevölkerung und die Umwelt ergeben. Durch die Anhebung des Wasserspiegels könnten Naherholungsgebiete entstehen. Zwar müsste die erst vor wenigen Jahren gebaute Promenade entlang des Flusses teilweise neu errichtet werden, die Pläne sehen jedoch auch die Schaffung zusätzlicher Radwege und Fußgängerbrücken vor. Wir sind jedenfalls auf den weiteren Verlauf der Entwicklungen gespannt.
Joachim Kern
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