Der Name Carl A. Fechner steht seit Jahrzehnten für Dokumentarfilme. Jetzt wagt er sich mit seinem Film „Energy Autonomy“ in die Weiten der Kinowelt. Zu seinem jüngsten Projekt stand der Geschäftsführer von Fechner Media und gleichzeitiger Regisseur des Films, trotz seines extrem vollen Terminkalenders bereitwillig Rede und Antwort. Wie er selber sein Projekt sieht und was er damit bewegen möchte verrät er uns im Interview.
Seit 20 Jahren produzieren Sie Dokumentarfilme zu Themen wie erneuerbare Energien oder nachhaltige Entwicklung. Bislang konnte man Ihre Werke im Fernsehen betrachten, warum produzieren Sie Energy Autonomy – The Code of Survival ausgerechnet als Kinofilm? Ist der Film Ihr persönliches Meisterstück?
Die Tatsache, dass ich dem Fernsehen verbunden bin, hängt damit zusammen, dass ich grundsätzlich viele Zuschauer erreichen möchte. Hauptsächlich bei den öffentlich-rechtlichen Sendern werden unsere Filme bis zu zehn Mal wiederholt. Wir produzieren auch weiterhin Fernsehfilme und betrachten dieses Medium durchaus als das richtige Medium für uns.
Ich persönlich hatte schon immer eine große Faszination für Kino. Es bietet Zugang zu anderen Gestaltungsmöglichkeiten und spricht ein anderes, jüngeres Publikum an. Und dann hat das Kino natürlich weitaus mehr Glamour, und ich denke, dass Energieautonomie, also die revolutionäre, totale Veränderung fast aller Zusammenhänge der Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Technik durch den 100-prozentigen Umstieg auf erneuerbare Energien, diesen Glamour verträgt. Und so gesehen haben Sie schon Recht, wenn Sie von einer gewissen Krönung meiner Laufbahn sprechen. Ob es ein Meisterstück wird, muss sich natürlich erst noch zeigen.
Gibt es dann vielleicht in der Zukunft noch mehr Kinofilme von Ihnen?
Mit Sicherheit, ja. Wir wollen Energy Autonomy nicht alleine stehen lassen, es soll weitergehen. Möglicherweise auch mit Spielfilmen, die künstlerischen Möglichkeiten sind groß. Es braucht sicherlich noch viele Anstrengungen, um das Ziel Energieautonomie auch wirklich zu erreichen. Ich bin dem Thema sehr verbunden und sehe mich als Teil einer großen Bewegung, und dafür ist Kino genau das richtige Medium, zumindest in meinem Leben.
In Ihrem Film führen Sie den Menschen die Lage vor Augen und zeigen zugleich Lösungswege auf. Meinen Sie, dass Ihr Projekt Erfolg haben wird? Zum einen den Menschen erneuerbare Energien näher zu bringen und zum anderen, sie hiermit in die Kinos zu locken?
Es gibt zwei Messlatten des Erfolgs. Einmal, ob es Energieautonomie je geben wird und etliche Punkte tiefer auf der Skala, ob dieser Film ein Erfolg wird. Dieser Erfolg misst sich dann wiederum in Zuschauerzahlen und öffentlicher Beachtung.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir im Laufe der nächsten 20 bis 30 Jahren eine Entwicklung erleben werden, die Richtung 100 Prozent erneuerbare Energie gehen wird. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, um die Probleme unserer Zeit in den Griff zu bekommen. Die fünf Hauptprobleme liegen nun mal im Bereich Klima, Energie, Ungerechtigkeit, Armut und Krieg – und die sind ausschließlich durch den totalen Umstieg auf erneuerbare Energien zu lösen. Insofern stimme ich mit unserem Hauptprotagonisten Hermann Scheer überein. Die Entwicklung in diese Richtung ist nicht mehr aufzuhalten, auch wenn es versucht wird, und ich bin überzeugt davon, dass ich den Wandel noch erleben werde.
Und zugleich bin ich davon überzeugt, dass der Kinofilm ein Erfolg wird, weil er das richtige Thema zur richtigen Zeit bringt und das mit der richtigen Machart. Also groß, mit hohem künstlerischen Anspruch und weltweitem Blick. Nicht nur unter technischen Gesichtspunkten, was viele erwartet haben. Wir betrachten das Thema auch unter Aspekten der Werte. Und Energieautonomie stellt eindeutig den höheren gesellschaftlichen Wert dar.
Berücksichtigen die Lösungsvorschläge im Film auch die unterschiedlichen finanziellen Mittel und sozialen Kompetenzen der Menschen und Länder?
Ja, das ist ein ganz zentraler Ansatzpunkt des Films. Wir zeigen unter anderem Professor Yunus’ Mikrofinanzierung. Ein anderer Protagonist zeigt den Aufbau eines Solarenergie-Bildungszentrums in Mali, das Mali Folke Center, aber auch viele andere Maßnahmen, die von Seiten der Konsumenten ergriffen werden können, wie etwa der energetischen Renovierung von Altbauten, die etwa 40 Prozent des gesamten Häuserbestandes in Deutschland ausmachen. Eine Energieeffizienzrevolution sozusagen, denn bei gleichem Komfort liegen die Energiekosten für diese Häuser nach der Renovierung nur noch bei einem Zehntel. Oder die Energieausbeute von Strom zum Antrieb eines Autos. Diese ist weitaus höher, als die Energie, die zur Raffinierung und zum Transport von Öl aufzuwenden ist. Elektroautos brauchen auf 100 Kilometer gerade einmal 1,20 Euro an Energiekosten. Auch hier zeigen wir Lösungen, wie etwa die Redox-Flow- Batterie, wobei diese mit elektrisch geladener Flüssigkeit direkt an den Tankstellen „betankt“ werden können. Der Film zeigt exemplarisch eine ganze Reihe von neuen Lösungen für eine weltweite Zuschauerschaft.
An vielen Orten der Welt wurde gedreht. War die Resonanz durchweg positiv oder gab es in einigen Regionen auch Ablehnung? Sicher haben die Menschen in ärmeren Regionen mit ganz anderen alltäglichen Problemen zu kämpfen, wie etwa dem täglichen satt werden.
Zwischen satt werden und erneuerbaren Energien gibt es einen Zusammenhang und zwar dahingehend, dass die Menschen über erneuerbare Energien überhaupt erst Zugang haben zu Strom, Kraft, Licht und somit auch zu Maschinen und Handwerk, das benötigt wird, um Menschen mit Nahrungsmittel und Geld zu versorgen. Es ist ein Kreislauf, der für zwei Milliarden Menschen überhaupt nur über erneuerbare Energien in Gang gesetzt werden kann.
Wir haben natürlich immer dort gedreht, wo Menschen sich mit diesem Thema beschäftigen und von daher sind wir ausschließlich auf Zustimmung gestoßen. Aber unabhängig davon ist unsere Erfahrung, dass der Wechsel zu erneuerbaren Energien – und zwar zu heimischen, dezentralen erneuerbaren Energien, das ist ganz wichtig – neben der Bildung eine ganz große Hoffnung für Millionen von Menschen darstellt. Die einzige Möglichkeit dieser Menschen, eine Professionalisierung ihres Lebens zu erreichen und Anschluss zu finden an die Lebensqualität in Industrieländern.
Wie wurde Ihr Projekt finanziert? Wurden Sie auch durch Förderprojekte vom Staat unterstützt?
Nein, überhaupt nicht. Wir hatten eine Anschubfinanzierung von der Europäischen Union vor drei Jahren, aber die eigentlichen Kosten für den Filmdreh wurden komplett aus der Gesellschaft finanziert. Man konnte und kann immer noch Filmbausteine a 1.000 Euro kaufen und das Projekt so unterstützen. Ab 20 Bausteinen und mehr wird man dann zum Sponsor. Die Bandbreite ist enorm, von Einzelpersonen, über öffentliche Einrichtungen wie etwa Kindergärten, bis hin zu Unternehmen, haben sich sämtliche gesellschaftlichen Schichten beteiligt.
Ihr Film sollte ursprünglich im September, vor den Bundestagswahlen deutschlandweit und zwei Monate später, noch vor KYOTOplus weltweit in den Kinos anlaufen. Können Sie den Termin, jetzt wo die Dreharbeiten abgeschlossen sind, einhalten?
Der Termin hat sich um einige Monate verschoben. Zurzeit befindet sich der Film unter dem neuen Arbeitstitel „Energy Autonomy – The 4th Revolution“ in der Feinschnittphase und braucht noch etwa bis Anfang Oktober 2009, bis er fertig ist für einen Einsatz in Kinos. Unser Wunsch ist es, dass der Film im November 2009 in die Kinos kommt und die Gespräche mit Verleihern laufen auf Hochtouren. Die sind hochambitioniert und total begeistert von dem Projekt und brauchen ihre Zeit, um den Film an die Öffentlichkeit zu bringen. Von einem genauen Erscheinungstermin kann man zu diesem Zeitpunkt also noch nicht sprechen. Ich weiß, dass viele Menschen sehr ungeduldig auf den Film warten, aber da bitte ich einfach um Verständnis.
Es ist doch schade, dass es mit der Erscheinung nicht noch vor den Bundestagswahlen klappt, denn vielleicht hätte man dort einige Denkanstöße für die Politiker liefern können.
Vor allem ist es wichtig, der Gesellschaft die Augen zu öffnen, damit sie die richtige Wahlentscheidung trifft. Wir werden unseren Teil in diese Diskussion einbringen und zwar in Form eines langen Trailers zum Thema Energieautonomie, der bis Mitte August 2009 fertig gestellt sein und interessierten Institutionen und Menschen kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Wir arbeiten daher ausschließlich mit Bildern aus dem Film, die auf hunderten Veranstaltungen und im Internet publiziert werden und Lust darauf machen, Energieautonomie anzustreben und den Film anzusehen.
Der Film gibt Anstoß, die energiepolitische Kurve zu bekommen. Treten sie hiermit nicht einigen Leuten (aus der Politik) gewaltig auf die Füße? Sie zeigen durchführbare Lösungsansätze und in der Politik bewegt man sich im Gänsemarsch.
Wenn wir damit Menschen auf die Füße treten, ist das durchaus richtig, gewollt und gewünscht.
In ihrem Film soll der weltweite Umstieg auf erneuerbare Energien zu 100 Prozent bis zum Jahr 2040 vollzogen sein. Ist das wirklich realistisch? Experten und Wissenschaftler gehen von 50 Prozent bis Mitte des Jahrhunderts aus. Denken diese zu pessimistisch?
Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen. Wir haben für den Film sehr breit recherchiert und das nicht nur im so genannten Energieexpertenkreis, sondern auch direkt bei Unternehmen. Die Chefs der beiden Marktführer im Solarzellen beziehungsweise im Solarmodulbereich gehen beispielsweise beide unabhängig voneinander davon aus, dass Grid Parity, also der Moment, an dem Strom aus Solaranlagen billiger ist, als der aus fossilen und nuklearen Quellen, in den nächsten vier bis fünf Jahren erreicht wird. Eine Situation, die noch vor zwei Jahren auf etwa 15 Jahre geschätzt wurde. Deshalb gehöre ich zu denen, die es für wahrscheinlich halten – machbar sowieso – dass die Gesellschaft bis zum Jahr 2040 annähernd, es wird immer annähernd bleiben, zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien versorgt wird. Das ist zu schaffen, wenn dieses Ziel als die herausragende individuelle und gesellschaftliche Aufgabe unserer Zeit begriffen und entsprechend danach gehandelt wird. Wie faszinierend das sein kann, auch das zeigt unser Film!
Wir dürfen also gespannt sein, auf das Ergebnis und bedanken uns recht herzlich für die tiefen Einblicke, die wir beim Interview gewinnen konnten! Mehr über Energy Autonomy erfahren Sie auf der Homepage zum Film.
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