Younicos: Zukunftsfähige Speichersysteme

Foto: Younicos AG | Steffen Jeanicke

Philip Hiersemenzel, Pressesprecher der Younicos AG, im Expertengespräch mit dem CleanEnergy Project. Unsere Gesprächsthemen im zweiten Teil des Interviews: die größte Herausforderung einer stabilen Elektrizitätsversorgung sowie die drei Speichertechnologien Lithium-Titanat, Vanadium-Redox-Flow und Natrium-Schwefel.

Die Younicos AG verfolgt ein klares Ziel: Energie muss zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden und CO2-frei sein. Das Berliner Unternehmen entwickelt Netzlösungen und Speichersysteme. Insbesondere zuverlässige Speichersysteme sind notwendig, um den Umstieg auf erneuerbare Energieträger zu bewältigen.

Younicos baut auf der Azoreninsel Graciosa ein stabiles und autarkes Stromnetz auf, in welchem der Anteil der Erneuerbaren am Strommix 75 Prozent beträgt. Das neue System ist über 20 Jahre hinweg betrachtet günstiger als die bestehende Stromversorgung mittels Dieselgeneratoren. Der reduzierte CO2-Ausstoß ist dabei ein kostenloser Bonus.

Herr Hiersemenzel, zahlreiche Beispiele wie das Projekt Graciosa beweisen, dass die Lösungen von Younicos funktionieren. Das Stromnetz bleibt stabil und zuverlässig. Die Lösung ist gleichermaßen wirtschaftlich rentabel und auf große Systeme übertragbar. Worin liegen die zukünftigen Herausforderungen?

Die größten Herausforderungen bewältigen wir gerade. Teilweise liegen sie schon hinter uns: Wir haben bewiesen, dass man eben auch mit bis zu 100 Prozent Wind- und Sonnenstrom eine stabile Elektrizitätsversorgung gewährleisten kann. Davon mussten wir auf Graciosa nicht nur den lokalen Stromversorger und die Regulierungsbehörde überzeugen, sondern auch die Banken, die das Ganze finanzieren müssen. Auch wenn wir über 20 Jahre hinweg betrachtet zehn Prozent billiger sein werden als das bisherige System, so muss man – wie immer bei den Erneuerbaren – auf einen Schlag relativ viel investieren. Dann hat man aber kaum noch Kosten. Das ist so, als würde man heute den Diesel für 20 Jahre im Voraus kaufen.

Weil sich das System auch anderswo rechnet, wird unsere größte Herausforderung in diesem Bereich wohl sein, das System möglichst schnell auch anderenorts umzusetzen. Es gibt jedenfalls schon eine große Zahl weiterer Inseln, die sich für das System interessieren.

Für uns als Firma, und auch für uns auf dem europäischem Festland allgemein, wird es in den nächsten Jahren aber auch sehr stark darum gehen, mit Hausspeichern den Eigenstromverbrauch deutlich zu steigern.

Die Speichertechnologien Lithium-Titanat, Vanadium-Redox-Flow und Natrium-Schwefel sind für unterschiedliche Anwendungen konzipiert. In welchen Bereichen setzt Younicos diese Technologien konkret ein?

Eigentlich wird andersherum ein Schuh daraus: Wir haben diese Speichertechniken ja nicht erfunden. Wir haben für die unterschiedlichen Herausforderungen bei der Umstellung auf 100 Prozent erneuerbaren Energien nach den besten, heute verfügbaren Lösungen gesucht. Danach haben wir die Technologie entsprechend angepasst beziehungsweise teilweise auch weiterentwickelt.

Lithium-Titanat verwenden wir, um mit einem von uns entwickelten Batterie-Management-System sehr robuste, extrem langlebige, reaktionsschnelle und auch intelligente Büro- und Hausspeicher zu bauen, die unter anderem auf Preissignale reagieren können. Gerade Speicher für den Privatbereich müssen besonders verlässlich und wartungsarm sein. Wir wollen schließlich damit allen Besitzern von eigenen Photovoltaikanlagen ermöglichen, bis zu 80 Prozent ihres selbsterzeugten Stroms auch selbst zu verbrauchen – nicht nur Elektrotechnikern und Ingenieuren. Gleichzeitig ist so ein Speicher auch eine Investition, die sich auf 15 oder 20 Jahre rechnen muss. Der Speicher muss also auch so lange halten.

Die Vanadium-Redox-Flow-Technologie ist ebenfalls sehr robust und besonders vielversprechend. Weil die Energie in zwei getrennten Tanks gespeichert wird, hat sie quasi keine Selbstentladung. Man kann also Energie über Wochen und Monate „einlagern“. Zudem hält der mit Abstand teuerste Bestandteil des Speichers, das Elektrolyt, praktisch ewig. Einzig die mechanischen Teile, wie Schläuche oder Pumpen, müssen nach einer gewissen Zeit erneuert werden. Wir nutzen die Redox-Flow-Technologie zurzeit vor allem für komplett netzautarke Solartankstellen. Die Technik eignet sich aber genauso für Mehrfamilienhäuser, größere Ferienhäuser, große Bauernhöfe oder Wohnanlagen, aber auch für die Industrie und für Elektrizitätsversorger.

Natrium-Schwefel-Batterien sind heute schon industriell erprobt und seriell verfügbar. Sie eignen sich für Inselsysteme wie auf Graciosa, aber auch zur Netzstabilisierung auf dem Festland, um schnell wesentlich mehr Sonnen- und vor allem Windstrom in unsere Netze zu integrieren.

Kein Vorteil ohne Nachteil. Welche Schwächen weisen diese Technologien zum jetzigen Zeitpunkt auf?

Die Schwächen gehören meist genauso zu der jeweiligen Technologie, wie eben auch die Vorteile. Es kommt darauf an, die Technologie so einzusetzen, dass die Schwächen möglichst nicht ins Gewicht fallen.

„Unser“ Lithium-Titanat etwa ist wesentlich haltbarer und robuster als die Lithium-Ionen-Akkus, die wir alle in unseren Handys und Laptops benutzen. Dafür ist es aber deutlich schwerer. Bei einem Handy ist das ein gravierender Nachteil. Bei einem Hausspeicher, der einmal aufgestellt wird und dann stehen bleibt, ist das Gewicht relativ egal. Lithium ist zudem natürlich auch eine knappe Ressource, aber im kleinen Bereich zurzeit einfach die beste Lösung.

Die Vanadium-Redox-Flow-Technologie braucht relativ viel Platz, aber auch wieder nicht so viel, dass die Batterie nicht in einen Keller passen würde. Bei größeren Arealen, für Tankstellen oder gar Industrieanlagen, ist der Platz ohnehin kein Problem. Auch Vanadium gibt es leider nicht unbegrenzt, wobei der Vorteil dieser Technik ist, dass gerade das Vanadium sehr leicht gereinigt und unbegrenzt verwendet werden kann.

Natrium-Schwefel-Batterien schließlich sind Hochtemperaturbatterien, die eine Temperatur von 300 Grad Celsius benötigen. Deshalb eignen sie sich unter anderem nicht als Saisonspeicher. Auch als Back-up-System sind sie nicht die wirtschaftlichste Alternative. Wenn man sie aber am Netz, etwa in einem erneuerbaren Inselsystem, einsetzt, entsteht durch das permanenten Be- und Entladen genug Abwärme, sodass sie nicht oder kaum mehr zugeheizt werden müssen. Zudem brauchen sie professionelle Wartung, was aber bei Energieversorgern leicht gewährleistet werden kann.

Herr Hiersemenzel, herzlichen Dank für das Gespräch.

Joachim Kern

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