Ein verregneter Sommertag, wie er für dieses Jahr bezeichnend ist. Ich bin mit Reiner Gärtner, einem Journalisten, der gerade eine Beitragsreihe für unser CleanEnergy Project-Magazin ausarbeitet, verabredet. Als ich an unserem Treffpunkt – einem gemütlichen Café in der Münchner Innenstadt – ankomme, hat es aufgeklart. Und so lassen wir uns die Gelegenheit nicht nehmen, die seltenen Sonnenstrahlen auszunutzen und nehmen auf den zum Teil noch nassen Außenstühlen Platz.
Neugierig möchte ich wissen, wie es zu Reiners Engagement für erneuerbare Energien kam. Als er mit seiner Erzählung beginnt, wird sehr schnell klar – das wird eine aufregende Geschichte.
Schon als Student ging Gärtner in den frühen 90er Jahren lieber seinem Nebenjob als Redakteur einer Computerzeitschrift nach, als auf BWL-Klausuren zu lernen. Das Internet war seine große Leidenschaft. Während viele seiner Fachkollegen noch von „Mailboxen“ redeten, surfte Gärtner schon im Web – das war 1993 mit dem Mosaic-Webrowser 0.8. Und so entschied er sich 1997, seine Koffer zu packen um nach San Francisco zu gehen; dorthin, wo er den Start der ersten Dotcom-Revolution miterleben durfte. „Damals ging es weniger um E-Commerce. Es hatten die Idealisten das Wort. Und ein solcher war ich auch: Die Beiträge, die ich schrieb, befassten sich vor allem mit der Frage, wie das Internet unser Leben verändert, welche Auswirkungen ein derart übergreifendes Medium auf alle Lebensbereiche haben wird und wie ein solches Medium künftige Entscheidungen und unser kollektives Bewusstsein beeinflussen wird.“
Doch als Ende 2000 etwa 30.000 Leute in San Francisco gewissermaßen über Nacht arbeitslos wurden, verspürte Gärtner den Wunsch, sich der Hektik des Alltags zu entziehen: „Die Informationsflut wurde immer schneller. Die ständige Verfügbarkeit und das Gefühl, in einem Karussell zu sitzen, das sich immer schneller dreht; die vielen Leute, die an Burnout litten – das alles gab mir zu denken. Und so entschied ich mich, Anfang 2001 in das 1.000 Kilometer entfernte Portland zu ziehen. Denn Portland ist langsam – langsam und grün. Eine Stadt, in der Nachhaltigkeit eine sehr große Rolle spielt.“
So kam es, dass Gärtner sich zunehmend in das Thema Nachhaltigkeit einarbeitete und für verschiedene US-Magazine über erneuerbare Energien in Europa schrieb. Doch lange sesshaft war er in Portland nicht: „Die Ereignisse am 11. September 2001 und die Art und Weise, wie die amerikanische Regierung damit umging, haben mir gezeigt, hier passe ich nicht mehr her.“
Vancouver sollte seine neue Heimat werden. Bis 2003 lebte er in der kanadischen Großstadt und arbeitete als Journalist für deutsche und amerikanische Zeitschriften. Da in Vancouver der Sitz des Brennstoffzellenherstellers Ballard Power ist, wurde die Wasserstofftechnologie zu Gärtners neuem Thema. „Ich sammelte mir einfach die verschiedenen Puzzle-Stücke zusammen und wollte das Gesamtbild verstehen. Also arbeitete ich mich in das Thema Brennstoffzelle ein.“
2003 zog es Gärtner wieder nach Deutschland zurück, wo er als Journalist im Bereich IT und erneuerbare Energien tätig war und 2006 eine Fortbildung zur Fachkraft für Solartechnik an der Handwerkskammer München besuchte. „Um journalistischem Halbwissen vorzubeugen, meldete ich mich für einen Kurs an, der eigentlich für Architekten und Meister angeboten wurde. Nachdem ich zu erst eine Absage erhielt, durfte ich dann doch noch an dem Kurs teilnehmen und lernen, wie Anlagen geplant und gebaut werden.“
Im folgenden Jahr zog es Gärtner mit seiner Frau und der gemeinsamen, anderthalbjährigen Tochter zu Verwandten nach Australien: „Da es in Australien sehr heiß ist und extrem viel Strom für die Klimatisierung der Gebäude verbraucht wird, ist solares Kühlen natürlich ein wichtiges Thema.“ Doch nicht nur in Australien spielt solares Kühlen eine große Rolle. Denn auch innerhalb der EU wird mehr Energie zum Kühlen benötigt als zum Heizen. Aus diesem Grund startete Gärtner – zurück in Deutschland – 2008 ein englischsprachiges Internetportal zu dem Thema „Solare Klimatisierung“. „Der Markt ist riesengroß, aber die Branche ist noch nicht ausreichend organisiert. Das technische Know-how liegt vor allem in Deutschland, doch wie findet ein Investor aus Japan oder ein Architekt die richtigen Experten? Ein solches Netzwerk möchte ich bauen.“ Das Portal liegt momentan auf Eis, doch Gärtner arbeitet bereits an einem Relaunch und sucht gerade nach Partnern, um dieses ambitionierte Projekt gemeinsam zu stemmen.
Seit wenigen Wochen ist nun auch sein neustes Projekt online. „Hier in Wangen“ ist ein Soziales Netzwerk für die Bewohner der im Allgäu liegende Stadt, die Gärtners neue Heimat geworden ist. Natürlich hat er auch eine Gruppe mit dem Titel „Energiezukunft Wangen“ gegründet. „Es ist sehr interessant, wie die kleinen Städte und Gemeinden das Thema Energie aufgreifen und unabhängig von fossilen Energieträgern werden wollen.“ Genau diesen Prozess möchte Gärtner vorantreiben. „Es ist spannend, globale Projekte im Internet zu finden. Noch spannender ist es aber, globale und eigene Projekte lokal umzusetzen und die Ideen mit Gleichgesinnten zu teilen, um wieder etwas Neues zu schaffen. Wichtig ist, dass man nicht nur diskutiert, sondern wirklich etwas bewegt und dann die Erfolge gemeinsam feiert.“
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