Vergangene Woche gab es zunächst eine gute Nachricht. Zum ersten mal seit drei Jahren sei der bundesweite CO2-Ausstoß gefallen, teilte das Umweltbundesamt und das Bundesumweltministerium in einer Pressemeldung mit. Demnach seien in Deutschland 2014 rund 41 Millionen Tonnen weniger CO2 emittiert worden als im Vorjahr – das entspricht einem Rückgang von 4,3 Prozent. Insgesamt lagen die Treibhausgasemissionen 2014 damit bei 912 Mio. Tonnen – dem niedrigsten Wert seit 2010.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sagte dazu: „Der Trend weist endlich wieder in die richtige Richtung. Ein Großteil der Minderung war 2014 auf den milden Winter zurückzuführen. Aber einen Teil des Rückgangs haben wir echten Fortschritten beim Klimaschutz zu verdanken. Jetzt wollen wir diesen Trend verstärken mit ambitionierten Maßnahmen aus dem Aktionsprogramm Klimaschutz. Die Daten zeigen unter anderem Handlungsbedarf bei den Emissionen aus der Kohleverstromung.
Und damit zur schlechten Nachricht. Denn dass sogar dringend Handlungsbedarf besteht, zeigt eine vergangenen Mittwoch erschienene Datenanalyse der britischen Klimaschutzorganisation Sandberg. Basierend auf den offiziellen EU-Emissionsdaten errechnete Sandberg folgendes:
Zum ersten Mal seit dem Beginn des EU-Emissionshandels im Jahr 2005 liegen vier deutsche Braunkohlekraftwerke in den Top 5 der größten CO2-Emittierer in ganz Europa. Der Energieriese RWE betreibt die drei schmutzigsten Anlagen – in Neurath, Niederaußem und Weisweiler. Auf Platz vier liegt Vattenfall mit dem Kraftwerk Jänschwalde. Insgesamt entfallen 13 Prozent der europaweiten CO2-Emissionen im Stromsektor auf diese vier Kraftwerke. Während in Europa die Emissionen aus der Braunkohleverstromung zwischen 2010 und 2014 um 13 Prozent fielen, stiegen sie in Deutschland in diesem Zeitraum sogar noch an – um rund zwei Prozent.
David Jones, ein Sandberg-Analyst, sagte dazu: „Der Großteil der deutschen Braunkohlekraftwerke ist sogar um zwei Drittel emissionsintensiver als selbst die effizienten Steinkohlekraftwerke. Das untergräbt die Anstrengungen zur CO2-Reduktion im Stromsektor nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa. Die „Energiewende“ kann nur zu einer internationalen Erfolgsgeschichte werden, wenn die Braunkohle-Emissionen deutlich gesenkt werden“.
Auch für das Erreichen der deutschen Klimaschutzziele ist die Braunkohleverstromung eine große Gefahr. Erst letzte Woche gab die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) bekannt, dass das deutsche Emissionsziel, eine CO2-Reduktion um 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990, mit den heute bestehenden Maßnahmen verfehlt werden wird. Es müssten künftig weit größere Anstrengungen unternommen werden, um dieses Ziel doch noch zu umzusetzen, so das Fazit der AEE.
Eine dieser zusätzlichen Maßnahmen, die auch auf die Reduktion der Emissionen aus der Kohleverstromung abzielt, will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel einführen. Er fordert eine Klimaschutzabgabe für alte Kohlekraftwerke. Demnach könnten Betreiber von mehr als 20 Jahre alten Kraftwerken künftig eine Abgabe zahlen müssen. So sollen die Gesamtemissionen der etwa 500 fossilen Kraftwerke bis 2020 um zusätzliche 22 Millionen Tonnen CO2 verringert werden. Sollte das Gesetz tatsächlich in Kraft treten, würde das eine deutliche Verbesserung der Treibhausgasbilanz der Kohleverstromung bedeuten, da vor allem die ältesten und schmutzigsten Kohlemeiler betroffen wären. Allerdings könnte das Gesetz auch das Aus für etwa 30.000 Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie bedeuten, warnte RWE vergangene Woche.
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Auch ist es unwahrscheinlich, dass diese Maßnahme allein ausreichen würde, um das Klimaschutzziel 2020 doch noch zu erreichen. Die Sandberg- Analyse zeigt jedenfalls deutlich, dass die Braunkohleverstromung in einem Land wie Deutschland, das international den Begriff Energiewende geprägt hat und das seit Jahren für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und den Klimaschutz einsteht, ein Geschäftsmodell ist, für das es in der Zukunft eigentlich keinen Platz mehr geben kann. Das Argument der energiepolitischen Notwendigkeit für billige, einheimische Braunkohle zur Versorgungssicherung und zur Stabilisierung der Strompreise ist ebenfalls bereits durch Studien widerlegt worden.
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