In den Verhandlungen um die geplanten Entschädigungen für die Stilllegung von alten Kohlekraftwerken ist am Wochenende eine Einigung erzielt worden. Das teilte das Bundeswirt-schaftsministerium mit. Bis 2020 müssen die Betreiber demnach 13 Prozent der deutschen Braunkohle-Kapazitäten vom Netz nehmen. Das lassen sie sich jedoch fürstlich entlohnen. Bezahlen müssen die deutschen Verbraucher. Die Stromrechnung dürfte damit in dem kommenden Jahren deutlich teurer werden, auch, weil das leider ist das nicht die einzigen Mehrkosten sind, die im Zuge der Energiewende auf uns zukommen.
Monatelang hatten sich die Energieversorger und die Ge-werkschaften massiv dagegen gewehrt – und letztendlich ihren Willen bekommen: Anfang Juli wurde die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel geplante Strafabgabe auf alte Kohlekraftwerke endgültig verworfen und durch einen gänzlich anderen Ansatz ersetzt. Ein Ansatz, der sofort scharf kritisiert wurde. So sollen die Betreiber besonders umwelt- und klimaschädlicher Kohlekraftwerke künftig, anstatt Strafen auf den Ausstoß von CO2 zu zahlen, dafür entschädigt werden, ihre klimaschädlichen Kohlemeiler stillzulegen.
Die stillgelegten Kraftwerke sollen dann in eine sogenannte Kapazitätsreserve überführt werden. Das heißt, sollten im Zuge der Energiewende Versorgungsengpässe auftreten, werden einige der Kohlekraftwerksblöcke vorübergehend wieder hochgefahren. Dafür, dass diese Blöcke von den Betreibern in Bereitschaft gehalten werden, bekommen sie künftig Geld. Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass wirklich derartige Engpässe entstehen und die Kraftwerke jemals wieder gebraucht werden.
Mit anderen Worten: Die Kraftwerksbetreiber bekommen bald Geld dafür, nicht zu arbeiten – ein Hartz IV für alte Kohlekraftwerke. Umso überraschender ist es, dass Gabriel noch im Sommer 2014 gesagt hatte: ein Arbeitslosengeld für Kraftwerke werde es mit ihm nicht geben. Dieses Versprechen konnte er letztendlich nicht einhalten – der Druck von Seiten der Gegner seiner Zwangsabgabe ließ ihn dann doch einknicken. Das Arbeitslosengeld für Kohlekraftwerke wird kommen.
Zahlen müssen dieses die Stromkunden. Am Wochenende wurde bei den Verhandlungen über die genauen Konditionen eine Einigung erzielt. Demnach müssen RWE, Vattenfall und Mibrag bis zum Jahr 2020 schrittweise 13 Prozent der deutschen Braunkohle-Kapazitäten stilllegen. Dafür gibt es allerdings für jeden Konzern 230 Millionen Euro – im Jahr. Laufen sollen die Zahlungen insgesamt sieben Jahre lang. Alles in allem werden die deutschen Stromkunden dafür also bis 2023 gut 1,6 Milliarden Euro zahlen müssen. Abgerechnet wird das über die Netzentgelte der Stromrechnung. Zwar wird die dadurch nur 1,75 Euro im Jahr teurer, allerdings wird das nicht die einzige – wenngleich mit Sicherheit umstrittenste -, zusätzliche Posten bleiben, der auf die Verbraucher in den kommenden Jahren zukommt.
Die Energiewende wird teuer
Die Energiewende wird in den kommenden Jahren einiges kosten – vor allem die Stromkunden. Zusätzliche Kosten werden auch durch die Erdkabel entstehen, auf die sich CSU-Chef Horst Seehofer und die Union geeinigt haben. Die beiden dringend benötigten Gleichstrompassagen SüdLink und Südost sollten ursprünglich überirdisch verlaufen – ein Arrangement, das auf erheblichen Widerstand sowohl bei der bayerischen Bevölkerung als auch bei Seehofer selbst stieß. Der Kompromiss, die Stromautobahnen weitgehend unterirdisch verlaufen zu lassen, wird zwischen drei und acht Milliarden zusätzlich kosten. Auch hierfür müssen die Stromverbraucher über die Netzentgelte aufkommen (CEP berichtete).
Zudem wird im kommenden Jahr die EEG-Umlage auf ein neues Rekordniveau ansteigen, und auch die Förderkosten für Anlagen zur Erneuerbaren Wärmeerzeugung sollen 2016 angehoben werden. Insgesamt werden nächstes Jahr nach Informationen der Deutschen Presse Agentur etwa 22,8 Milliarden Euro an Förderkosten über die Stromrechnungen der Deutschen finanziert werden – nicht eingerechnet die Mehrkosten durch Erdkabel und das „Arbeitslosengeld“ für die Kraftwerksbetreiber.
Dabei hätte zumindest letzteres verhindert werden können, wenn Gabriel seine Strafabgabe durchgesetzt hätte. Das wird nun scharf kritisiert. Tina Löffelsend vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sprach von einem „schmutzigen Deal“, den Gabriel mit der Braunkohle-Lobby abgeschlossen hätte. Die Einigung nannte sie skandalös. RWE beispielsweise bekomme künftig viel Geld für Kohlekraftwerke, die der Versorger auch so abgeschaltet hätte.
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Die Grünen nannten die geplante Kraftwerksreserve lahm wie eine Postkutsche. Sollte es zu Engpässen kommen, müssen die Betreiber die acht betroffenen Kraftwerksblöcke „innerhalb von zehn Tagen (stundengenau) ab Vorwarnung durch die Übertragungsnetzbetreiber (Vorwarnzeit) betriebs-bereit“ machen. Dann haben sie weitere 24 Stunden um die volle Stromleistung zu erzeugen. Der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte dazu der Deutschen Presse-Agentur: „Eine Kraftwerksreserve, die erst nach elf Tagen den vertraglich vereinbarten Strom produziert, braucht niemand“.
Zudem wird dieser umstrittene Plan neben Geld auch Arbeitsplätze kosten. Eine RWE-Sprecherin sagte gestern, die Stilllegung der Braunkohleanlagen werde voraussichtlich dazu führen, dass zwischen 2017 und 2023 rund 800 bis 1000 Stellen wegfallen werden.
Quelle: Manager-Magazin.de / Reuters
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