Wissenschaftler der Universität Hohenheim gehen in ihren aktuell vorgestellten Zwischenergebnissen der Studie „Globale Analyse und Abschätzung des Biomasse-Flächennutzungs-potenzials“ davon aus, dass unter Berücksichtigung der zukünftigen Konsumgewohnheiten und der Bevölkerungs-entwicklung der Flächenbedarf für die Nahrungsmittel-produktion in Deutschland und Europa langfristig zurückgehen werde.
Dies wäre selbst der Fall, wenn die Nahrungsmittelexporte als Beitrag zur Sicherung der Welternährung gesteigert würden. Die Biomasseindustrie sieht darin neue Perspektiven für die Biomassenutzung – sowohl für energetische als auch stoffliche Verwendungen, ohne dafür schützenswerte Naturflächen zu beeinträchtigen.
Schon heute könne der Anbau nachwachsender Rohstoffe in Deutschland nach Einschätzung der Wissenschaftler knapp verdoppelt werden, ohne das Ziel einer ausreichenden Nahrungsversorgung aus den Augen zu verlieren. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass langfristig (2050) bei der Fortschreibung gegenwärtiger Entwicklungstrends in Deutschland sogar bis zu 7,5 Miollionen Hektar für den Non-food-Anbau zur Verfügung stehen könnten, selbst wenn zusätzlich 2,4 Millionen Hektar für Nahrungsmittelexporte zur Sicherung der Welternährung verwendet würden. Gestützt auf die Modellrechnungen in den realitätsnahen Szenarien könnten auch global die Biomassenutzungsflächen in 2050 auf rund 200 bis 300 Millionen Hektar ansteigen und gleichzeitig die zur Ernährungssicherung notwendige Flächengrundlage aufrecht erhalten werden.
Die Modellrechnungen ermitteln „technische Flächenpotenziale“, das heißt, bei unvorhersehbaren, den Trends deutlich zuwiderlaufenden Marktentwicklungen und ungünstigen Rahmenbedingungen für nachwachsende Rohstoffe können die „wirtschaftlichen Potenziale“ weit hinter den technischen zurückbleiben.
Nachhaltige Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen, aber auch die Inkulturnahme von Brachflächen sind der Schlüssel, um die Konkurrenz der Ansprüche an die landwirtschaftlichen Nutzflächen langfristig in vertretbaren Grenzen zu halten. Dazu analysieren die Autoren die Situation in den einzelnen Regionen der Welt sehr detailliert. Während für Europa, Nord- und Südamerika große Potenziale bestehen können, sehen sie in Teilen Afrikas, Asiens und in Mittelamerika langfristigen Importbedarf für Nahrungsmittel und kaum Möglichkeiten für den Energiepflanzenanbau. Nicht zuletzt deshalb warnen die Forscher vor rein lokalen Betrachtungsweisen und leiten Anforderungen für die globale Ernährungssicherung ab. Ihnen zufolge muss eine Abschätzung der Biomassenutzungspotenziale auch die wettbewerbsfähigen Agrarexporte in jene Regionen berücksichtigen, in denen die landwirtschaftlichen Produktivitätszuwächse nicht für die Ernährungssicherung ausreichen werden.
Voraussetzungen für eine „Hebung“ der Potenziale sind verlässliche politische Rahmenbedingungen für Investitionen in die unterschiedlichen Biomassenutzungslinien, die bei nachhaltiger Herstellung eine höhere Effizienz, wirtschaftliche Vorteile und eine bessere Ausschöpfung der Produktionspotenziale auf den verfügbaren Flächen sicherstellen.
Die Erstellung der Studie wird vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unterstützt.
Natalie Hartmann
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